Hysterie um den Datenschutz
Diskussion. Was die neue Reform für Nutzer bringt, war Thema beim futurezoneTalk des KURIER.
Internetnutzer bekommen mehr Rechte, Firmen müssen sich an neue Regeln halten.
Am 25. Mai tritt die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) für alle Unternehmen und Institutionen, die in der EU tätig sind, in Kraft. Ziel ist es, personenbezogene Daten besser zu schützen und die Verarbeitung der Daten durch Firmen einheitlicher zu gestalten. Doch die neue Gesetzeslage sorgt für viel Verwirrung, Unmut und Panik – bei Bürgern und Unternehmen.
„Wir erleben gerade eine unglaubliche Hysterie, obwohl das Thema seit 2012 bekannt ist“, sagt Nikolaus Forgó, Institutsvorstand für Innovation und Digitalisierung im Recht an der Universität Wien beim futurezone-Talk, der im Wiener Gründungszentrum weXelerate stattgefunden hat. „Dabei ändert sich für die Lisi Müllers oder Franz Maiers eigentlich nicht viel“, sagt Forgó.
Besser informiert
Lisi Müller und Franz Maier werden dank der neuen Ver- ordnung auf jeden Fall umfangreicher darüber informiert, was mit ihren Daten im Netz passiert. „Das ist sehr wichtig, weil das Selbstbestimmungsrecht nur dann gegeben sein kann, wenn ich auch darüber informiert werde, was mit meinen Daten passiert. Dann kann ich entscheiden, ob ich diese überhaupt hergebe oder nicht“, sagt Elisabeth Wagner, Juristin bei der österreichischen Datenschutzbehörde. „Für Betroffene ändert sich vor allem, dass sich bei Beschwerdennicht mehranIrland wenden müssen, weil Facebook seinen EU-Sitz dort hat. Sie können mit ihrem Anliegen zur österreichischen Datenschutzbehörde kommen. Wir kümmern uns dann im Auftrag der Betroffenen darum“, erklärt Wagner.
Bewusstsein
Forgó glaubt jedoch nicht, dass Menschen jetzt etwas an ihrem Umgang mit Daten ändern werden: „Wenn ich in der Früh zum Supermarkt gehe, zücken alle vor mir eine Kundenkarte, obwohl alle wissen, dass die dazu dient, um Daten zu sammeln.“Man müsse sich klar darüber werden, dass die Karten nicht dazu geschaffen wurden, um „Geburtstagsgutscheine“einzulösen, sondern um das Verhalten der Kunden auszu- forschen und zu speichern, warnt Wagner.
Aus der Sicht des DreiChefs Jan Trionow ist das Bewusstsein für Datenschutz bei den Kunden „deutlich gestiegen“. „Nutzer wollen meistens aber keine komplette Anonymität, sondern überlegen sich gut, für welche Dienste sie wie zahlen möchten. Die Personalisierung ist eines der Grundthemen der Digitalisierung. Diese wird von der neuen Verordnung allerdings nicht gerade gefördert“, so Trionow, der sich im Zuge der Reformen wünscht, dass es weiterhin Platz für innovative Angebote von Firmen geben müsse, auch wenn diese auf Daten basieren.
Drastische Reaktionen
Vor einer Art „Kollateralschaden“durch die neuen Regelungen warnen Jurist Forgó und die IT-Beraterin und Digitalstrategin Lena Doppel: „Ich kenne Kleinunternehmer, die all ihre NewsletterAbonnenten gelöscht haben. Andere Blogger wollen ihre Wordpress-Seiten aufgeben, weil sie überfordert sind mit den neuen Regelungen.“Dabei sei es möglich, das alles ganz legal zu betreiben, so Forgó. „Der kleine Bäcker von nebenan wird auch keine Milliardenstrafen zahlen müssen“, beruhigt der Jurist.