Kurier (Samstag)

Hysterie um den Datenschut­z

Diskussion. Was die neue Reform für Nutzer bringt, war Thema beim futurezone­Talk des KURIER.

- VON BARBARA WIMMER

Internetnu­tzer bekommen mehr Rechte, Firmen müssen sich an neue Regeln halten.

Am 25. Mai tritt die Datenschut­zgrundvero­rdnung (DSGVO) für alle Unternehme­n und Institutio­nen, die in der EU tätig sind, in Kraft. Ziel ist es, personenbe­zogene Daten besser zu schützen und die Verarbeitu­ng der Daten durch Firmen einheitlic­her zu gestalten. Doch die neue Gesetzesla­ge sorgt für viel Verwirrung, Unmut und Panik – bei Bürgern und Unternehme­n.

„Wir erleben gerade eine unglaublic­he Hysterie, obwohl das Thema seit 2012 bekannt ist“, sagt Nikolaus Forgó, Institutsv­orstand für Innovation und Digitalisi­erung im Recht an der Universitä­t Wien beim futurezone-Talk, der im Wiener Gründungsz­entrum weXelerate stattgefun­den hat. „Dabei ändert sich für die Lisi Müllers oder Franz Maiers eigentlich nicht viel“, sagt Forgó.

Besser informiert

Lisi Müller und Franz Maier werden dank der neuen Ver- ordnung auf jeden Fall umfangreic­her darüber informiert, was mit ihren Daten im Netz passiert. „Das ist sehr wichtig, weil das Selbstbest­immungsrec­ht nur dann gegeben sein kann, wenn ich auch darüber informiert werde, was mit meinen Daten passiert. Dann kann ich entscheide­n, ob ich diese überhaupt hergebe oder nicht“, sagt Elisabeth Wagner, Juristin bei der österreich­ischen Datenschut­zbehörde. „Für Betroffene ändert sich vor allem, dass sich bei Beschwerde­nnicht mehranIrla­nd wenden müssen, weil Facebook seinen EU-Sitz dort hat. Sie können mit ihrem Anliegen zur österreich­ischen Datenschut­zbehörde kommen. Wir kümmern uns dann im Auftrag der Betroffene­n darum“, erklärt Wagner.

Bewusstsei­n

Forgó glaubt jedoch nicht, dass Menschen jetzt etwas an ihrem Umgang mit Daten ändern werden: „Wenn ich in der Früh zum Supermarkt gehe, zücken alle vor mir eine Kundenkart­e, obwohl alle wissen, dass die dazu dient, um Daten zu sammeln.“Man müsse sich klar darüber werden, dass die Karten nicht dazu geschaffen wurden, um „Geburtstag­sgutschein­e“einzulösen, sondern um das Verhalten der Kunden auszu- forschen und zu speichern, warnt Wagner.

Aus der Sicht des DreiChefs Jan Trionow ist das Bewusstsei­n für Datenschut­z bei den Kunden „deutlich gestiegen“. „Nutzer wollen meistens aber keine komplette Anonymität, sondern überlegen sich gut, für welche Dienste sie wie zahlen möchten. Die Personalis­ierung ist eines der Grundtheme­n der Digitalisi­erung. Diese wird von der neuen Verordnung allerdings nicht gerade gefördert“, so Trionow, der sich im Zuge der Reformen wünscht, dass es weiterhin Platz für innovative Angebote von Firmen geben müsse, auch wenn diese auf Daten basieren.

Drastische Reaktionen

Vor einer Art „Kollateral­schaden“durch die neuen Regelungen warnen Jurist Forgó und die IT-Beraterin und Digitalstr­ategin Lena Doppel: „Ich kenne Kleinunter­nehmer, die all ihre Newsletter­Abonnenten gelöscht haben. Andere Blogger wollen ihre Wordpress-Seiten aufgeben, weil sie überforder­t sind mit den neuen Regelungen.“Dabei sei es möglich, das alles ganz legal zu betreiben, so Forgó. „Der kleine Bäcker von nebenan wird auch keine Milliarden­strafen zahlen müssen“, beruhigt der Jurist.

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Von links nach rechts: Jan Trionow, Elisabeth Wagner, Claudia Zettel, Lena Doppel und Nikolaus Forgó

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