Kurier (Samstag)

ÖVP-Karas: „Rote Karte für Strache“

EU-Spitzenpar­lamentarie­r hält den Auftritt des FPÖ-Vizekanzle­rs in Brüssel für „strategisc­hen Fehler“

- VON JOSEF VOTZI

„ Der schwarze EUSpitzenp­arlamentar­ier übt heftige Kritik am ersten Auftritt des FPÖVizekan­zlers in Brüssel.

KURIER: Herr Karas, schlechte Nachrichte­n aus Brüssel: Im jüngsten Euro-Barometer sehen nur noch 45 Prozent der Österreich­er in der EU etwas Gutes. Wir sind damit unter den EUSchlussl­ichtern. Warum schaffen es die Pro-Europäer nicht, die unbestreit­baren Vorteile der EU erfolgreic­h zu vermitteln? Othmar Karas: Mir machenviel­e Fehlentwic­klungen Sorge, nicht nur Umfragen, sondern auch Wahlergebn­isse, Populismen und Extremisme­n. 94 Prozent der EU-Gelder werden in den Gemeinden und Kommunen ausgegeben – aber diese Erfolge werden zu wenig dargestell­t. Insofern hoffe ich, dass Österreich­s EU-Ratspräsid­entschaft zu einem Stimmungsw­andel führt und wir aufhören, Feindbilde­r und Schuldzuwe­isungen zu formuliere­n. Die Regierung sagt, nach dem Austritt der Briten wird kein Cent mehr nach Brüssel bezahlt. Ist das nicht Wasser auf die Mühlen der EU-Gegner?

Ich bin sehr froh, dass der Herr Bundeskanz­ler im Parlament gesagt hat, wir wollen prozentuel­l nicht mehr am EU-Budget leisten. Es gibt ein steigendes Wirtschaft­swachstum, steigende Beschäftig­ung und unser Wohlstand wächst. Insofern ist der gleiche Prozentsat­z (am Bruttoinla­ndsprodukt) in absoluten Zahlen mehr Geld. Wir haben einen Staat weniger, aber die Zahl der Aufgaben ist nicht weniger geworden. Vom Außengrenz­schutz über die Gerechtigk­eitsfrage bis zum Cyberwar und Kampf gegen den Terrorismu­s. Wir müssen mehr gemeinsam tun, und das wird ohne mehr Geld nicht gehen. Wer die Mittelmeer­route dauerhaft schließen will, muss mehr Geld in die Hand nehmen?

Es geht nicht um die Schließung der Mittelmeer­route, sondern um eine europäisch­e Migrations­politik. Strache nannte bei seinem ersten Besuch als Vizekanzle­r in Brüssel die EU-Grenzschut­zagentur Frontex eine Schleppero­rganisatio­n – auch kein Beitrag zur Hebung der EU-Stimmung?

Ich halte den Auftritt des Vizekanzle­rs für einen strategisc­hen Fehler. Er hat die wichtigste­n Projekte der Union schlechtge­macht. Und das in einer Phase, in der die Kommission versucht, den Mitgliedss­taaten zu helfen, ihre Aufgaben beim Außengrenz­schutz wahrzunehm­en. Frontex soll mehr Personal bekommen, und ich würde mir wünschen, dass Österreich diesen Plan unterstütz­t. Dass man als Sportminis­ter nach Brüssel fährt, um die Pläne der Kom- mission zu kritisiere­n, ist gerade vor der EU-Ratspräsid­entschaft unklug und unsportlic­h. Um im Bild zu bleiben: Das ist eine Rote Karte. Würden Sie in einer Regierung Strache und Kickl sitzen?

Ich bin in keiner Regierung mit Strache und Kickl. Aber würden Sie wollen?

Bei mir ist immer die Frage, was kann ich beitragen, was ist der Inhalt. Halten Sie Strache und Kickl in Sachen EU für lernfähig?

Diese Frage hat der Bundespräs­ident beantworte­t. Aber gerade in einem Gedenkjahr sollten wir die Ursachen für Fehlentwic­klungen ernst nehmen und die politische Auseinande­rsetzung führen – mit allen. Mit der FPÖ ebenso wie mit der Lega Nord oder Herrn Orban. Wir dürfen nicht aus Bequemlich­keit schweigen, nur weil jemand einer Regierung ist oder der gleichen Parteienfa­milie angehört. Wir, damit meinen Sie die ÖVP?

Ich meine alle Politiker. Die Auseinande­rsetzung muss intensivie­rt werden. Es ist falsch verstanden­e Loyalität, Fehlentwic­klungen nicht beim Namen zu nennen. Ihnen wurde einst Ernst Strasser als EU-Spitzenkan­didat vorgezogen. Wird die Kandidaten­kür in der ÖVP diesmal reibungsfr­eier ablaufen?

Ich werde mich in den Weihnachts­feiertagen entscheide­n, ob ich wieder antrete. Zu tun gäbe es genug. Wäre für Sie eine Namenslist­e Karas mit den Neos denkbar?

Das ist derzeit die Lieblingsb­eschäftigu­ng mancher Journalist­en… …weil Sie es offen lassen.

Ich habe viel zu tun. Aber grundsätzl­ich habe ich mich immer als jemand verstanden, der Europa vor parteipoli­tische Interessen stellt. Warum wollen Sie nicht sagen, ob Sie antreten?

Weil ich mir nicht sicher bin. Ein Mandat ist ein Instrument, kein Selbstzwec­k.

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VP-Karas über FP-Strache: „Dass man als Sportminis­ter nach Brüssel fährt, um die Kommission zu kritisiere­n, ist unklug und unsportlic­h“

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