Korruptionsskandal bringt Rajoy massiv unter Druck
Sozialisten wollen nach Urteil Ministerpräsidenten stürzen; sein Partner will Neuwahlen; Rajoy lehnt ab
Die politischen Erdbeben in Südeuropa, deren Schockwellen ganz Europa erfassen, nehmen kein Ende: Italien geht gerade mit einer rechtspopulistischen Regierung in eine höchst ungewisse Zukunft. Jetzt droht Spanien eine Regierungskrise mit dem Sturz der konservativen Regierung und/oder Neuwahlen: Die Sozialisten haben vor dem Hintergrund eines riesigen Korruptionsskandals und saftiger Verurteilungen einen Misstrauensantrag gegen Ministerpräsident Mariano Rajoy eingebracht. Dessen konservative Partido Popular (PP) war am Donnerstag von einem spanischen Gericht als juristi- sche Person wegen der Annahme illegaler Wahlkampfgelder verurteilt worden.
Die Sozialisten von Pedro Sanchez haben die linkspopulistische Podemos an ihrer Seite, bräuchten für eine absolute Mehrheit im Kongress aber auch die Stimmen von ein paar kleineren separatistischen Parteien – unter anderem die der katalanischen Separatisten und der baskischen PNV. Letztere hatte noch am Mittwoch bei einer Haushaltsabstimmung mit Rajoys Konservativen gestimmt.
Ungemach droht Rajoy freilich von der eigenen Front: Die liberalen Ciudadanos, die nicht Teil der Regierung sind, sie aber bisher unterstützten, nutzen die Gunst der Stunde und fordern Neuwahlen. In Umfragen liegen die Ciudadanos mitunter bereits vor der PP. Im Raum stand, dass die Liberalen, wenn es keine Neuwahlen gäbe, ihrerseits einen Misstrauensantrag einbringen könnten.
Rajoy lehnte Neuwahlen am Freitag in einer Pressekonferenz ab. Sie stünden gegen die politische Stabilität und die wirtschaftliche Erholung Spaniens, das seit Monaten auch mit den katalanischen Unabhängigkeitsbestrebungen zu kämpfen hat.
351 Jahre Haft
Der Korruptionsskandal verfolgt die PP des 63-jährigen Regierungschefs seit vielen Jahren. Es geht um die kriminellen Praktiken einiger Unternehmer, die zwischen 1999 und 2005 Politiker der PP bestochen und dafür Aufträge erhalten haben sollen. 29 Angeklagte, darunter ehemalige Führungskräfte der PP, wurden wegen Korruption, Unterschlagung, Geldwäsche und illegaler Bereicherung zu insgesamt 351 Jahren Haft verurteilt. Der ehemalige Schatzmeister der Partei, Luis Barcenas, erhielt 33 Jahre Haft und 44 Millionen Euro Geldstrafe; der Unternehmer Francisco Correa (der Name bedeutet „Gürtel“, der Skandal heißt deshalb Gürtelskandal) bekam 51 Jahre Haft.
Anleger reagierten auf die Entwicklung in Spanien nervös. Der spanische AktienLeitindex Ibex gab am Freitag 1,1 Prozent nach, während die übrigen europäischen Börsen im Plus lagen.