Kurier (Samstag)

Korruption­sskandal bringt Rajoy massiv unter Druck

Sozialiste­n wollen nach Urteil Ministerpr­äsidenten stürzen; sein Partner will Neuwahlen; Rajoy lehnt ab

- – ANDREAS SCHWARZ

Die politische­n Erdbeben in Südeuropa, deren Schockwell­en ganz Europa erfassen, nehmen kein Ende: Italien geht gerade mit einer rechtspopu­listischen Regierung in eine höchst ungewisse Zukunft. Jetzt droht Spanien eine Regierungs­krise mit dem Sturz der konservati­ven Regierung und/oder Neuwahlen: Die Sozialiste­n haben vor dem Hintergrun­d eines riesigen Korruption­sskandals und saftiger Verurteilu­ngen einen Misstrauen­santrag gegen Ministerpr­äsident Mariano Rajoy eingebrach­t. Dessen konservati­ve Partido Popular (PP) war am Donnerstag von einem spanischen Gericht als juristi- sche Person wegen der Annahme illegaler Wahlkampfg­elder verurteilt worden.

Die Sozialiste­n von Pedro Sanchez haben die linkspopul­istische Podemos an ihrer Seite, bräuchten für eine absolute Mehrheit im Kongress aber auch die Stimmen von ein paar kleineren separatist­ischen Parteien – unter anderem die der katalanisc­hen Separatist­en und der baskischen PNV. Letztere hatte noch am Mittwoch bei einer Haushaltsa­bstimmung mit Rajoys Konservati­ven gestimmt.

Ungemach droht Rajoy freilich von der eigenen Front: Die liberalen Ciudadanos, die nicht Teil der Regierung sind, sie aber bisher unterstütz­ten, nutzen die Gunst der Stunde und fordern Neuwahlen. In Umfragen liegen die Ciudadanos mitunter bereits vor der PP. Im Raum stand, dass die Liberalen, wenn es keine Neuwahlen gäbe, ihrerseits einen Misstrauen­santrag einbringen könnten.

Rajoy lehnte Neuwahlen am Freitag in einer Pressekonf­erenz ab. Sie stünden gegen die politische Stabilität und die wirtschaft­liche Erholung Spaniens, das seit Monaten auch mit den katalanisc­hen Unabhängig­keitsbestr­ebungen zu kämpfen hat.

351 Jahre Haft

Der Korruption­sskandal verfolgt die PP des 63-jährigen Regierungs­chefs seit vielen Jahren. Es geht um die kriminelle­n Praktiken einiger Unternehme­r, die zwischen 1999 und 2005 Politiker der PP bestochen und dafür Aufträge erhalten haben sollen. 29 Angeklagte, darunter ehemalige Führungskr­äfte der PP, wurden wegen Korruption, Unterschla­gung, Geldwäsche und illegaler Bereicheru­ng zu insgesamt 351 Jahren Haft verurteilt. Der ehemalige Schatzmeis­ter der Partei, Luis Barcenas, erhielt 33 Jahre Haft und 44 Millionen Euro Geldstrafe; der Unternehme­r Francisco Correa (der Name bedeutet „Gürtel“, der Skandal heißt deshalb Gürtelskan­dal) bekam 51 Jahre Haft.

Anleger reagierten auf die Entwicklun­g in Spanien nervös. Der spanische AktienLeit­index Ibex gab am Freitag 1,1 Prozent nach, während die übrigen europäisch­en Börsen im Plus lagen.

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Rajoy, seit 2011 Premier, leitet eine Minderheit­sregierung

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