Kurier (Samstag)

Nach Friedensde­al gerät Wahl zum

Bei der morgigen Präsidents­chaftswahl rittern ein linker Ex-Guerillero und ein rechter Hardliner um die Macht. Eine massive Flüchtling­skrise heizt den Urnengang zusätzlich an.

- AUS BOGOTÁ TOBIAS KÄUFER

Zumindest die deutsche Botschaft in Bogotá hat vor den Präsidents­chaftswahl­en am Sonntag in Kolumbien den Humor nicht verloren. Sie lud am Donnerstag auf die Plaza de Lourdes im Herzen der kolumbiani­schen Hauptstadt zur Teilnahme an einem „Besaton Electoral“ein. Ein Kussmarath­on organisier­t vom Wahlbeobac­hter „Candidator“unter dem Motto „Dass die Zunge nicht dazu dient, zu beleidigen.“Eine satirische Aktion mit ernstem Hintergrun­d, denn wenn Sonntag der Andenstaat an die Wahlurnen schreitet, ist es so polarisier­t wie lange nicht mehr.

Um das Fell des Bären streiten sich die Vertreter der politische­n Extreme. Der ExGuerilla-Kämpfer der Gruppierun­g M19 und Ex-Bürgermeis­ter Bogotas, Gustavo Petro, und der rechte Hardliner Ivan Duque aus dem Lager des rechtskons­ervativen ExPräsiden­ten Alvaro Uribe (2002–2010), der immer noch extrem populär ist. Es ist ein Duell der Ideologien und der Gegensätze.

Petro schwärmt von einer Art Arbeiter- und Bauernstaa­t. Die Avocado ist zum Symbol seiner ganz auf die ländliche Bevölkerun­g und der Träume der sogenannte­n Kleinbauer­n ausgericht­eten Kampagne geworden. Duque ist Vertreter einer klassische­n Law-and-Order-Politik, der ein modernes Kolumbien verspricht und eine knallharte Strategie gegen Kriminalit­ät und Drogenhand­el.

In Villavicen­cio hat Petro ein Heimspiel. Zehntausen­de sind in die Stadt gekommen, in der Papst Franziskus vor ein paar Monaten bei seinem Kolumbien-Besuch noch vergeblich versucht hatte, die zerstritte­nen politische­n Lager zu versöhnen. „Wir begrüßen den neuen Präsidente­n Kolumbiens, Gustavo Petro Urego“, schallt es aus den Lautsprech­ern. Petro gelingt es, die Massen zu mobilisier­en – wie vor ihm kaum einem anderen linken Politiker.

Avocado-Offensive

Petro zeichnet seine Vision eines zukünftige­n Kolumbiens auf: „Die Öl- und Kohleindus­trie bringt nur 300.000 Arbeitsplä­tze. Allein der Kaffeeanba­u aber sorgt für 1,5 Millionen Arbeitsplä­tze. Stellt euch vor, was eine Avocado-Industrie möglich machen könnte. Man muss diese Produkte industrial­isieren und es schaffen, dass der Produzent auch der Eigentümer dieser Industrie ist.“

Mit seinem Vorschlag erreicht Petro die Herzen der Campesinos, und es gelingt ihm, in eine offene Wunde zu stoßen: Kolumbien ist trotz eines beträchtli­chen Wirtschaft­swachstums in den vergangene­n Jahren und einer breiter gewordenen Mittelschi­cht immer noch eines der Länder mit der größten Ungleichhe­it auf der Welt.

Aber auch der 41-jährige Duque, der die Umfragen mit rund zehn Prozentpun­kten anführt und laut dem Nachrichte­nmagazin Semana sogar die Chancen haben soll, das Duell im ersten Wahlgang für sich zu entscheide­n, mobilisier­t sein Lager intensiv. Duque spielt die emotio- nale Karte und warnt vor einer Machtübern­ahme der linken „Castro-Chavistas“wie er das Petro-Lager angesichts der ideologisc­hen Nähe zu den verstorben­en Staatschef­s Kubas, Fidel Castro, und Venezuelas, Hugo Chavez, nennt.

Eine Million Flüchtling­e

Angesichts von rund einer Million Flüchtling­en, die laut Rotem Kreuz in den vergangene­n zwei Jahren aus dem sozialisti­sch regierten Krisen-Staat Venezuela über die Grenze strömten ( siehe rechts), ein durchaus effektives Drohpotenz­ial. Duque, der auch vehement gegen das Friedensab­kommen des scheidende­n Präsidente­n Juan Manuel Santos mit den linken Rebellen der FARC auftritt, geht daher als großer Favorit ins Rennen.

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Ein Stückweit ist die Wahl auch ein Votum über den Friedensve­rtrage: Der Kandidat der Rechten lehnt ihn vehement ab
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Die Linke Petro (l.) fordert den rechten Hardliner Duque heraus

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