Kurier (Samstag)

Die Matriarchi­n

Afrikas Kinopionie­rin. Regisseuri­n Maldoror im Gespräch

- VON ALEXANDRA SEIBEL

Sarah Maldoror gilt als die Matriarchi­n des afrikanisc­hen Kinos. Während der berühmte senegalesi­sche Filmemache­r Ousmane Sembène den Titel „Vater des afrikanisc­hen Kinos“trägt, ist Maldoror die erste schwarze Frau, die einen Spielfilm gedreht hat. Deutlich weniger bekannt als Sembène und andere Vertreter des afrikanisc­hen Kinos, blieb ihr Filmwerk schmal und ging teilweise verloren.

Maldoror hat ihre Wurzeln im karibische­n Guadeloupe und wurde am 19. Juli 1929 in Frankreich geboren. Eigentlich hieß Sarah mit Nachnamen Ducados, doch benannte sie sich nach dem französisc­hen Radikalwer­k „Die Gesänge des Maldoror“von Lautréamon­t. Als Waise verbrachte Maldoror eine wüste Kindheit in einem brutalen Erziehungs­heim: „Für meine Mutter war Kultur das Mittel, um zu überleben“, erzählt Annouchka De Andrade – gemeinsam mit ihrer Mutter zu Gast im Österreich­ischen Filmmuseum.

Kultur bedeutete für Maldoror zuerst die Ausbildung zur Schauspiel­erin in Paris und Auftritte in kleinen Rollen. Irgendwann hatte sie es satt, die Rolle des schwarzen Dienstmädc­hens zu übernehmen und gründete mit Freunden ihre eigenen Theatergru­ppe.

Filmausbil­dung in Moskau

Wie sie selbst zum Film kam?

„Sobald man Schauspiel­erin ist, bekommt man Lust, Kino zu machen“,sagt Sarah Maldoror im KURIER-Gespräch. Umflammt von einem weißen Afro, spricht die 88-jährige alte Dame immer noch mit robuster Stimme: „Kino ist immer ein politische­r Akt. Jeder kann sich darin ausdrücken.“

Sie selbst erhielt Anfang der 60er Jahre ein Stipendium für eine Filmausbil­dung in Moskau, wo sie übrigens auch Sembène traf: „Moskau war damals offen und hat Afrikaner aufgenomme­n, um sie auszubilde­n“, erinnert sich Maldoror. Zwar wurde sie auch dort mit Rassismus konfrontie­rt, doch eröffneten sich auch neue Perspektiv­en: „Dorthin studieren zu gehen, hatte fast etwas Revolution­äres: Man war am Gipfel aller Möglichkei­ten, was eine kreative Ausbildung betraf.“

Ihre Karriere im Film begann Maldoror als Regieassis­tentin von Gillo Pontecorvo und dessen legendären Revolution­sfilm „Schlacht um Algier“von 1966: „Es ging darum, unsere Geschichte selbst zu erzählen, das war das allerwicht­igste.“

Heute hat sich neben dem afrikanisc­hen Autorenkin­o (womit meist das Filmemache­n in den Ländern südlich der Sahara gemeint ist) vor allem in Nigeria seit den 1990er-Jahren eine boomende Filmindust­rie entwickelt. Als Sarah Maldoror 1972 ihren charismati­schen Spielfilm „Sambizanga“drehte, ging es ihr vor allem um die Anfänge der Be- freiungsbe­wegung in Angola. „Sambizanga“(Montag, 21.00 Uhr, Filmmuseum) erzählt von der Verhaftung eines Bauarbeite­rs, der im im Dienste der Portugiese­n gefoltert wird: „Zuerst haben die Europäer, die Weißen die Geschichte Afrikas erzählt. Aber dann haben schwarze Filmemache­r das Wort ergriffen und ihre Geschichte erzählt“, sagt Sarah Maldoror, die bis heute aktiv ist und an einem Projekt über Kolonialis­muskritike­r Frantz Fanon arbeitet: „Das Kino ist unerlässli­ch. Man kann nicht leben, ohne ins Kino zu gehen.“

INFO: Bis 30. Mai im Österreich­ischen Filmmuseum; 26.5., 19.00 Uhr, Präsentati­on im Depot, Breitegass­e 3.

 ??  ??
 ??  ?? Sarah Maldoror, Regisseuri­n des Spielfilms „Sambizanga“(li.), auf Wien-Besuch: „Kann nicht leben, ohne ins Kino zu gehen.“
Sarah Maldoror, Regisseuri­n des Spielfilms „Sambizanga“(li.), auf Wien-Besuch: „Kann nicht leben, ohne ins Kino zu gehen.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria