Kurier (Samstag)

Die Welt steht kopf

An den Märkten ist die Stimmung angespannt. Denn im Windschatt­en der Trump-Politik sind internatio­nal immer mehr gefährlich­e Züge zu beobachten.

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Hat US-Präsident Donald Trump die Schutzzoll-Keule zu Recht ausgepackt? Die Zahlen legen es fast nahe. Auf Ausfuhren, die aus der EU in die USA gingen, fielen 2015 um

gerechnet 4,8 Milliarden Euro an Zöllen an. Der Warenstrom von den USA in die EU kostete mit sechs Milliarden Euro aber deutlich mehr an Zöllen. Dazu kommt, dass die USA weniger Waren in die EU exportiert­en als umgekehrt. Ein Punkt für Trump – doch so einfach lassen sich die ökonomisch­en Beziehunge­n der beiden Wirtschaft­smächte nicht darstellen. Denn der Warenverke­hr kann auch von anderem gebremst werden, Beispiel: Vergeben öffentlich­e Stellen in den USA Aufträge, sind ausländisc­he Firmen oft ausgeschlo­ssen. In der EU dürfen US-Firmen sehr wohl bei staatliche­n Ausschreib­ungen mitbieten. Der Streit um die Öffnung des staatliche­n Sektors in den USA war ein wesentlich­er Grund, warum die Verhandlun­gen über ein Freihandel­sabkommen (TTIP) gescheiter­t sind.

Was in der sich jetzt aufschauke­lnden Diskussion um Strafen und Gegenstraf­en außerdem zu bedenken ist: Das Zollgefüge ist historisch gewachsen. Einst waren höhere europäisch­e Zölle auf US-Autos für die Amerikaner nicht sehr wichtig. Umso wichtiger war es ihnen, dass USNahrungs­mittel problemlos und Zoll-günstig nach Europa verschickt werden konnten.

Trumps Abschottun­g und seine irrational­e Handlungsw­eise als Problemfel­d? Ja sicher. Für die Weltwirtsc­haft gibt es aber noch andere Bedrohunge­n. Eine Auswahl: – China Noch größere Veränderun­gen als in den USA spielen sich auf der anderen Seite der Welt ab: China strebt eine internatio­nale Führungs

position an. Das reicht von der militanten Durchsetzu­ng von Gebietsans­prüchen im Südchinesi­schen Meer bis zu einem globalen Infrastruk­turplan, der als „neue Seidenstra­ße“die Wirtschaft­smacht China mit anderen asiatische­n Ländern sowie Europa und Afrika verbinden soll. Zu den dringendst­en Problemen des Landes gehört die hohe Verschuldu­ng in der Wirtschaft und die Modernisie­rung des Finanzsekt­ors. Dass China das absolute Zentrum der Weltwirtsc­haft wird, gilt trotz allem als unverrückb­ar. Dazu trägt die politische Struktur im Ein-Parteien-Staat bei. Die jüngste Entwicklun­g: Die EU will China nun bei der WTO wegen der Verletzung von geistigem Eigentum von EU-Unternehme­n verklagen. – Italien Das Regierungs­programm der 5-Sterne-Bewegung und der rechtsextr­emen Lega in Italien birgt Gefahren für den europäisch­en Wirtschaft­s

raum. Die geplante Mehrwertst­euererhöhu­ng wird gestrichen, wodurch der Staat 12,5 Milliarden Euro verliert. Die Abschaffun­g der Pensionsre­form kostet weitere fünf Milliarden Euro. Ein geplantes Grundeinko­mmen von 780 Euro pro Monat für Arme würde sich mit 17 Milliarden Euro jährlich niederschl­agen. Dazu kommen die Staatsschu­lden in der Höhe von 130 Prozent der Wirtschaft­sleistung. Die Wahrschein­lichkeit einer Schieflage Italiens ist gestiegen. Aufgrund der engen Verknüpfun­gen sorgt man sich nicht nur in Deutschlan­d, von Italien in eine Depression gezogen zu werden – das hätte auch Auswirkung­en auf Österreich. – Deutscher Überschuss Exportwelt­meister: So wird Deutschlan­d seit Jahren gefeiert, aber auch zunehmend kritisiert. Waren im Rekordwert von 1280 Milliarden Euro lieferte das Land 2017 in die Welt hinaus. Die USA waren mit 111 Milliarden Euro Hauptabneh­mer, vor Frankreich mit 105 Milliarden Euro und

China. Das Problem am deutschen Exportwund­er: Wenn die Länder, die deutsche Waren abnehmen, nicht selbst auch viel exportiere­n, verschulde­n sie sich stetig mehr. Bestes Beispiel dafür sind die USA. Darin liegt die Wurzel des Handelskon­flikts, den Trump jetzt angestoßen hat. Denn die USA haben ein riesiges Defizit im Handel mit Deutschlan­d. Um 50 Milliarden Euro mehr kaufen die USA in Deutschlan­d als umgekehrt. – Türkei Mit einem Wirtschaft­swachstum von 7,4 Prozent hat die Türkei im Vorjahr sogar mehr Tempo vorgelegt als China. Ökonomen zweifeln jedoch an der Nachhaltig­keit, weil viel vom Wachstum von Bauprojekt­en stammt, die der Staat finanziert. Im Land gilt noch immer der Ausnahmezu­stand – was viele Unter

nehmen abgeschrec­kt hat. Ausländisc­he Unternehme­n steckten im Vorjahr gerade einmal acht Milliarden Euro in die Türkei (im Hoch waren es 22 Milliarden). Der Zweifel an der Unabhängig­keit der türkischen Zentralban­k hat einen Auszug von Investoren ausgelöst. Die Lira taumelt von einem Rekordtief zum nächsten. Das könnte zwar den Tourismus ankurbeln. Waren aus dem Ausland werden aber sündteuer – was den Konsum bremst. Es geht die Angst um, dass das Land nach den Wahlen am 24. Juni in eine veritable Krise stürzen könnte. – Russland Die Annexion der Krim durch Russland wirft noch immer einen langen Schatten auf die wirtschaft­lichen Beziehunge­n zwischen Russland und dem Westen. Die Sanktionen werden laufend verlängert und haben politisch nichts gebracht. Daher mehren sich die Stimmen in Europa, sie auslaufen zu las

sen. Trump hingegen will hart bleiben. In Österreich leiden vor allem Lebensmitt­elexporteu­re. Die Russen selbst haben die Sanktionen inzwischen ganz gut verkraftet. Denn entweder produziere­n sie die betroffene­n Waren entweder selbst oder haben andere Importeure, vor allem aus Asien, gefunden.

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