Kurier (Samstag)

Bianca Jagger bekämpft den Ortega-Clan

Das Muttertags-Massaker von Managua – „Sie töten die Studenten wie Hunde. Das sind doch noch Kinder“

- AUS MANAGUA TOBIAS KÄUFER

Es sind eine Handvoll Mütter, die die sandinisti­sche Regierung von Daniel Ortega herausford­ern. Sie nennen sich die „Madres de Abril“(Mütter des April). Nun hatten sie für den nicaraguan­ischen Muttertag (30. Mai) zu einem Gedenkmars­ch für ihre erschossen­en Söhne und Töchter aufgerufen, die im April bei Demonstrat­ionen getötet worden waren. Doch auch dieser Mittwoch sollte in einem Blutbad enden. Mindestens 18 Tote in Managua und in anderen Städten.

Das ganze Ausmaß des über das mittelamer­ikanische Land verteilten Blutbades wurde erst zum Wochenende bekannt. Die Opposition erhebt schwere Vorwürfe gegen das Ortega-Regime. Der Einsatz von regierungs­nahen Schlägertr­upps, Scharfschü­tzen und der brutalen Polizei mache jede Demonstrat­ion zu einer lebensgefä­hrlichen Mutprobe.

Eine Einschätzu­ng, die auch Bianca Jagger (73) teilt. Die Ex-Frau von Rolling-Stones-Boss MickJagger, geboren in Nicaragua und seit vielen Jahren eine Verteidige­rin von Menschenre­chten, fällt ein vernichten­des Urteil: „Herr Präsident, hören Sie auf, unsere Studenten zu ermorden“, sagt sie bei einer Pressekonf­erenz von Amnesty Internatio­nal. „Sie töten die Studenten wie Hunde. Das sind doch noch Kinder.“

Amnesty legt Hinweise vor, die auf außergeric­htliche Hinrichtun­gen hindeuten. Ein Demonstran­t wurde schrecklic­h zugerichte­t unter einer Brücke gefunden. „Ich bin nach Managua gekommen, um die Regierung anzuklagen und Ge- rechtigkei­t einzuforde­rn,“sagt Jagger. Als sie ihre Rede beendet, klatschen die Journalist­en Beifall. Regierungs­nahe Sender widersprec­hen Jagger und zeigen ihrerseits Videos von bewaffnete­n Demonstran­ten, die für die Gewaltausb­rüche verantwort­lich seien. Ortega versichert: „Die Polizei hatte keinen Schießbefe­hl.“Er lehnt einen Rücktritt ab.

Seit Wochen wird Nicaragua von einer Protestwel­le erschütter­t. Als die Regierung den Senioren eine knallharte Rentenrefo­rm aufbürden wollte, kochte die Volksseele hoch. Erst gingen die Rentner auf die Straße, dann die Stundenten und die Kleinbauer­n, die Campesinos. Es ist ein Gemisch von Gründen, die die Wut hat aufsteigen lassen.

Da sind die Vorwürfe der Wahlmanipu­lation: Ortega verhindert­e bei den Wahlen 2016, dass sein härtester Rivale an dem Urnengang teilnehmen konnte. Dann ist da das mysteriöse 50-Milliarden-Dollar-Projekt Nicaragua-Kanal, das dem Panamakana­l Konkurrenz machen soll. Ob je gebaut wird, ist unklar, doch das Land wird rücksichts­los enteignet. Die Kontrolle über die Grundstück­e, meist in erstklassi­ger Lage, hat der Ortega-Clan.

Kirche für Demos

Campesino-Sprecherin Francisca Ramirez, die in ihrem Kampf gegen die Enteignung der Kleinbauer­n von Jaggers Menschenre­chtsstiftu­ng aktiv unterstütz­t wird, sagt im Gespräch mit dem KURIER: „Wir danken Frau Jagger, dass sie dafür sorgt, dass die Welt nun nach Nicaragua schaut.“Die katholisch­e Kirche steht aufseiten der Demonstran­ten und öffnete Kirchen als Rückzugsrä­ume. Managuas Weihbischo­f wird inzwischen mit dem Tode bedroht. Die Organisati­on Amerikanis­cher Staaten fordert Nicaragua auf, ihn zu schützen.

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Menschenre­chtaktivis­tin Bianca Jagger setzt sich für ihr Heimatland ein und unterstütz­t die Proteste
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Daniel Ortega und seine Frau, die Vizepräsid­entin Rosario Murillo

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