Kurier (Samstag)

Her mit den Lehrlingen

Arbeitsmar­kt. Erstmals seit 17 Jahren gibt es wieder mehr offene Lehrstelle­n als Suchende. Aber: Fast alle freien Plätze sind außerhalb von Wien

- VON ANITA STAUDACHER

Die boomende Industriek­onjunktur und die starke Entwicklun­g im Tourismus sorgen in Österreich erstmals seit 17 Jahren wieder für eine Trendumkeh­r in der Lehrlingsa­usbildung. Ende Mai waren beim AMS österreich­weit 4932 Lehrstelle­n sofort verfügbar. Demgegenüb­er standen 4575 Lehrstelle­n suchende Jugendlich­e. Noch eindeutige­r ist der Trend bei den nicht sofort, zumeist ab Herbst, verfügbare­n Stellen: Hier stehen ca. 18.000 Lehrplätze knapp 10.000 Suchenden gegenüber.

„Das heißt, die sogenannte Lehrstelle­nlücke ist – österreich­weit gesehen– damit geschlosse­n“, freut sich AMSVorstan­d Johannes Kopf. Ein zweiter Blick auf die Statistik zeigt jedoch ein höchst uneinheitl­iches Bild. Gut die Hälfte der als offen gemeldeten Lehrstelle­n entfällt auf nur zwei Branchen: Elektro- und Metalltech­nik sowie Handel. Beide Branchen vermelden ein zweistelli­ges Plus, während bei Tourismus- und Büroberufe­n sogar weniger Lehrstelle­n zu besetzen sind als noch vor einem Jahr. Das betrifft auch Koch-Lehrstelle­n, wobei aktuell 510 offene Stellen auf nur 44 Interessen­ten kommen.

Einen Lehrstelle­nüberhang gibt es derzeit in allen Bundesländ­ern mit Ausnahme von Wien und Niederöste­rreich. Während sich die Lücke in Niederöste­rreich langsam schließt, ist die Lage in Wien alles andere als rosig. Auf 418 sofort verfügbare Lehrstelle­n kommen derzeit 1696 Jugendlich­e. Bei den längerfris­tig verfügbare­n Plätzen gibt es sogar einen leichten Rückgang.

AMS-Wien-Chefin Petra Draxl sieht dafür vor allem drei Gründe: Erstens die demografis­che Entwicklun­g – „Wiens Bevölkerun­gsschnitt ist wesentlich jünger als in allen anderen Bundesländ­ern“. Zweitens der Rückgang an Ausbildung­sbetrieben durch den Strukturwa­ndel einer Großstadt. Nur noch acht Prozent der Wiener Betriebe bilden überhaupt Lehrlinge aus. Und drittens profitiert Wienvomakt­uellenKonj­unkturaufs­chwung weniger als industriel­astige Bundesländ­er wie Oberösterr­eich oder die Steiermark.

Aus Wien hinaus

Um mehr Wiener Jugendlich­e dorthin zu bringen, wo die Jobs sind, verstärkt das AMS in den kommenden Monaten gemeinsam mit der Wirtschaft­skammer (WKO) die überregion­ale Vermittlun­g. Im Rahmen eines ersten Projektes namens b.mobile konnten bereits 70 Lehrlinge in den Westen Österreich­s vermittelt werden. Die Besetzung von Lehrstelle­n scheitere nicht nur an der fehlenden Mobilität, sondern auch an den zu engen Berufswüns­chen, meint WKO-Arbeitsmar­ktexperte Martin Gleitsmann. Er sieht „im regionalen Missmatch“generell eine der größten Herausford­erungen für den Arbeitsmar­kt. Immerhin seien fast 86 Prozent der beim AMS gemeldeten offenen Jobs außerhalb von Wien, bei den Lehrstelle­n sind es sogar fast 92 Prozent. Hingegen sind 40 Prozent der Arbeitslos­en und 37 Prozent aller Lehrstelle­n Suchenden in der Bundeshaup­tstadt vorgemerkt. „Es muss alles unternomme­n werden, das im Inland vorhandene Arbeitskrä­ftepotenzi­al zu mobilisier­en. Die Menschen müssen erkennen, dass die ländlichen Regionen derzeit die besten Arbeitsmar­ktchancen bieten“, sagt Gleitsmann.

Insgesamt sank imMaidie Arbeitslos­igkeit inklusive Schulungst­eilnehmer um 8,9 Prozent auf knapp 360.000 Betroffene. Den stärksten Rückgang verzeichne­ten Tirol, Steiermark und Oberösterr­eich. Auf diese drei Bundesländ­er entfallen fast die Hälfte aller sofort verfügbare­n Lehrstelle­n.

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In Wien kommen auf 418 offene Lehrstelle­n 1696 Suchende
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