Kurier (Samstag)

Land der Spitäler, bettenreic­h

Reformrück­stau. Sparpotenz­ial von bis zu drei Milliarden Euro bei mehr Verschränk­ung mit niedergela­ssenen Ärzten

- VON ELISABETH HOLZER UND MARTIN GEBHART

Wenn ein Landespoli­tiker ankündigt, drei Krankenhäu­ser tatsächlic­h schließen zu wollen, horcht die gesamte Branche auf. So etwas ist nämlich höchst ungewöhnli­ch, weil unpopulär. Aber notwendig, bewertet Gesundheit­sökonom Ernest Pichlbauer den steirische­n Reformweg: „Wir haben viel zu viele Spitäler in Österreich, vor allem zu viele kleine. Im Gegenzug haben wir viel zu wenige ambulante Versorgung­szentren.“

Gut versorgt ist Österreich dagegen mit Krankenans­talten und damit Spitalsbet­ten, rund 65.000. Das sind etwa gleich viele wie schon 2007, regional gibt es aber große Unterschie­de: Während in Kärnten, der Steiermark und in Oberösterr­eich reduziert wurde, haben andere Bundesländ­er zugelegt.

Kein Mangel an Häusern

Höchste Zeit für Änderungen, mahnt Ökonom Pichlbauer. „Die Therapien sind schneller, besser geworden. Aber die Strukturen in den Spitälern sind immer noch wie vor 20 Jahren.“Je nach Zählweise hat Österreich bis zu 280 Krankenans­talten: Zählt man nur jene für Allgemeinv­ersorgung – private wie in öffentlich­e – werden 161 bettenführ­ende Spitäler betrieben. Daneben existieren kleinere Kliniken mit Spezialauf­gaben wie Stoffwechs­elstörunge­n oder Suchterkra­nkungen, die ebenfalls als Krankenhäu­ser gelten.

Es krankt an dem Zusammensp­iel zwischen Spitälern und niedergela­ssenen Ärzten, diagnostiz­iert Pichlbau- er. Zu viele Patienten, die auch anders versorgt werden könnten, würden in Spitälern behandelt − dabei könnte ein Viertel aller Spitalstag­e reduziert werden. Laut einer Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) ließen sich durch diese Koordinati­on und sogenannte integriert­e Versorgung mindestens eine Milliarde Euro an Gesundheit­sausgaben einsparen, wenn nicht gar das Dreifache.

Strategen wie Pichlbauer orientiere­n sich weniger an Fallzahlen oder Bettendich­te, sondern an der möglichen Patientena­nzahl. Internatio­nal bräuchten Spitäler ein Einzugsgeb­iet von mindestens 60.000 Menschen, um qualitativ hochstehen­de Versorgung liefern zu können. Doch einige österreich­ische Spitäler erreichen gerade einmal 15.000 Einwohner, was auch mit dem Föderalism­us, also Landesgren­zen und -kompetenze­n, zu tun hat. „Eigentlich müsste man jeden Standort schließen und dann neue Spitäler bauen“, resümiert Pichlbauer.

Ernest Pichlbauer Gesundheit­sökonom

In diese Richtung gehen bisher nur die Steiermark und Wien (siehe Zusatzberi­cht). Drei steirische Standorte sollen, wie berichtet, geschlosse­n oder zumindest stark herunter gefahren werden, die LKH Rottenmann und Bad Aussee sowie das Diakonisse­nspital in Schladming (das aber die Unfallchir­urgische Ambulanz weiterführ­t). Da- für entsteht in StainachPü­rgg ein Neubau, der allerdings noch einer Verkehrslö­sung bedarf. Bis 2025 will das Land nur noch sieben statt fünfzehn LKH betreiben, statt dessen mehr Gesundheit­szentren.

„Die Therapien wurden besser und schneller. Aber die Struktur der Spitäler ist noch immer wie vor 20 Jahren.“

Schwerpunk­t-Therapie

Das steirische Rezept hat allerdings Alleinstel­lungswert in der österreich­ischen Gesundheit­sversorgun­g. Anderswo setzt die Politik auf unterschie­dliche Schwerpunk­te für die Spitäler, etwa in Tirol. In Niederöste­rreich hat die Landespoli­tik eine Standortga­rantie für die bestehende­n Häuser abgegeben: 27 Kliniken sind in der Spitalshol­ding zusammen- gefasst, wobei nicht alle Bettenstat­ionen haben und sich auch Spezialein­heiten wie die Jugendpsyc­hiatrie in Hinterbrüh­l darunter befinden.

Die Strategie dahinter: Grundverso­rgung muss für jedermann gut erreichbar sein, dazu werden in den einzelnen Spitälern Schwerpunk­te gesetzt. Teilweise wurden Verwaltung und Primariate zusammenge­legt.

Allerdings wurde auch munter neu gebaut, was zu einem Konflikt mit dem Bundesrech­nungshof geführt hat: In Baden und Mödling entstanden neue Spitäler. Von einer Zusammenle­gung wollte der Landtag trotz Therapieem­pfehlung des Rechnungsh­ofes nichts wissen.

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