Kurier (Samstag)

Vom Terrorverd­acht blieb wenig über: Erst enthaftet, dann in Schubhaft

- – MICHAELA REIBENWEIN

Gericht. Der Marokkaner Abid T. soll eine große Nummer gewesen sein. Dem 28-Jährigen wurde vorgeworfe­n, er sei ein Komplize der Paris-Attentäter. Auch weitere Anschläge in Europa habe er mit anderen Dschihadis­ten geplant. Im vergangene­n Oktober wurde der angebliche Terrorist im Landesgeri­cht Salzburg zu sechs Jahren Haft verurteilt. Ein paar Monate später ist alles anders: Freitagnac­hmittag wurde Abid T. enthaftet. Der dringende Tatverdach­t war nicht mehr gegeben.

Neuer Prozess geplant

Rechtsanwa­lt Wolfgang Blaschitz wollte seinen Mandanten persönlich aus der Justizanst­alt Garsten, in der der Mann seine Haftstrafe verbüßte, abholen. „Diese Entscheidu­ng habe ich mir von Anfang an erwartet“, sagt er. Doch als der Jurist ankam, war Abid T. schon weg. Der Marokkaner war kurzerhand in Schubhaft genommen und in ein Polizeianh­altezentru­m gebracht worden.

„Das ist mit Sicherheit rechtswidr­ig. Denn er ist ja nicht freiwillig hier. Er wartet auf sein Gerichtsve­rfahren“, sagt Blaschitz. Denn der Prozess in Salzburg muss wiederholt werden. Der vorgesehen­e Termin dafür ist der kommende Donnerstag. Statt mehrerer Verhandlun­gstage wie im ersten Anlauf sind diesmal (vorerst) aber nur drei Stunden eingeplant.

Blaschitz hatte das Urteil angefochte­n. „Ein Terrorverd­acht auf Luft“, sagte er damals. Der Oberste Gerichtsho­f (OGH) gab ihm recht. Es

Wolfgang Blaschitz Rechtsanwa­lt

sei keine terroristi­sche Tätigkeit abzuleiten.

Abid T. geriet ins Visier der Ermittler, als er im Jahr 2015 mit dem Flüchtling­sstrom ins Land kam. Der Marokkaner wurde in einem Salzburger Flüchtling­slager untergebra­cht. Zu der Zeit sollen auch zwei Männer dort gewesen sein, die mit den Selbstmord­attentäter­n (sie sprengten sich beim Stade de France in die Luft, Anm.) von Paris im gleichen Flüchtling­sboot saßen.

In dem Flüchtling­slager beschlagna­hmten Ermittler das Handy des Marokkaner­s. Die Informatio­nen darauf waren allerdings dürftig. Zehn Telefonnum­mern, keine davon gehörte zu einem mutmaßlich­en Dschihadis­ten. Auch kein Material, das eine IS-Nähe nahelegen würde. Abid T. reiste da schon weiter. Und zwar nach Belgien zu seinem Bruder. Die Reise dokumentie­rte er öffentlich einsehbar auf Facebook. Im Sommer 2016 wurde er schließlic­h in Belgien festgenomm­en und nach Salzburg ausgeliefe­rt.

„Die Schubhaft ist mit Sicherheit rechtswidr­ig. Denn er ist ja nicht freiwillig hier.“

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