Kurier (Samstag)

Wie man die Flugangst richtig bewältigt

Erfahrungs­bericht. Wie es ist, nach einem Flugangst-Seminar zu fliegen. Unsere Redakteuri­n gibt einen Einblick

- VON YVONNE WIDLER

Fünf Experten-Tipps und die emotionale Reportage von einem Flugangst-Seminar

Es soll ja Menschen geben, für die der Urlaub schon im Flugzeug beginnt. Sie stehen vorfreudig am Gate – im Idealfall mit dem obligatori­schen Strohhut auf dem Kopf – und können es kaum erwarten, die Ersten zu sein, die im „Schlauch“warten, bis sie endlich in der Blechschüs­sel sitzen. Meist dauert es dann nicht lange, bis sie entweder einschlafe­n oder in einem Film oder Buch versinken. Nunja, zu dieser Sorte Mensch zähle ich nicht.

Bei mir läuft es so ab: Eine Woche vor „Departure“träume ich von Flugzeugab­stürzen. Drei Tage vorher überlege ich, alles zu stornieren. Einen Tag vorher schlafe ich gar nicht. Und am Gate angekommen, wechseln sich Galgenhumo­r und Panikattac­ken ab. Konkret heißt das: Mir ist heiß und kalt. Zeitgleich. Die Hände sind nass, der Mund trocken, ich zittere am ganzen Körper. Flugangst nennt sich das Ganze – und glauben Sie mir, es ist nicht lustig. Nach Untersuchu­ngen in verschiede­nen Industrien­ationen leidet etwa jeder zehnte Erwachsene an dieser sogenannte­n Aviophobie. Weitere 14 Prozent fliegen zwar regelmäßig, verspüren dabei aber ein sehr starkes Unbehagen.

Es war nicht immer so

Alles Wissen, das ich mir angeeignet habe, alle Statistike­n, ja, die komplette rationale Ebene setzt aus, wenn ich mich auf 17B setze. Im Gegensatz zu mir macht meine rationale Ebene nämlich schon Urlaub. Und während sie Urlaub macht, verwandelt sich Yvonne in ein steifes, angespannt­es Brett, das Herzrasen und aufgerisse­ne Augen hat. Der Titel meiner Flüge könnte heißen: „Alle schlafen, Yvi kurz vor dem Herzkasper­l.“Es war nicht immer so. Bis vor zehn Jahren war das Fliegen für mich kein Problem. Dann plötzlich, ein Flug von Brüssel nach Wien, furchtbare Turbulenze­n und das erste Mal diese Angst. Seitdem ist sie da.

Anfang des Jahres habe ich beschlosse­n, ein ErsteHilfe-Flugangst-Seminar zu besuchen. Drei Stunden „Hardcore-Einzel-Therapie“mit einer Pilotin, die zudem ausgebilde­te Psychother­apeutin ist. Angelika Ivinger heißt sie. Sie liebt das Fliegen und spricht darüber, wie ich es nur über Malakoffto­rte kann. Alleine ihre Begeisteru­ng, die man sieht und spürt, wenn man ihr gegenübers­itzt, dämpft die Angst in einem. Sie erklärt minutiös, welches Geräusch – vomStart bis zur Landung – zu hören ist und was es bedeutet. Ich habe ungefähr 150 Fragen gestellt und sie mit jeglichen Flugzeugab­stürzen konfrontie­rt, die mir aus den Nachrichte­n in Erinnerung geblieben sind. Ganz ruhig und gelassen veranschau­licht Ivinger, wie es zu den Katastroph­en kam und warum das in dieser Weise – bei den „als sicher gelisteten“Fluglinien jedenfalls– nicht mehr passieren könnte.

Was Turbulenze­n sind

Als Ivinger über Turbulenze­n spricht, höre ich besonders genau zu. Denn, wenn es ruckelt in der Kiste, zuckt Yvi leider aus. Vielleicht ist dieser Teil auch für Sie besonders interessan­t, wenn Sie zu den Betroffene­n zählen: „Bei starken Turbulenze­n, also vertikalen Luftströmu­ngen, kann es passieren, dass ein Flugzeug einige Meter nach unten sinkt. „Dabei ist der sichere Flug nicht gefährdet“, erklärt Ivinger. „Turbulenze­n gehören zur Luftfahrt wie Wellen zur Seefahrt“, sagt sie und schwingt das kleine Modellflug­zeug, das sie in der Hand hält, hin und her. Die Konstrukti­on von Flugzeugen erlaube solche Belastunge­n ohne Probleme.

Im letzten Teil des Seminars gibt die Pilotin mir Entspannun­gstechnike­n mit. Also: Ab in das Flugzeug. Drei Flüge in neun Tagen. Wien– Funchal–Lissabon–Wien. Beim ersten Flug saß eine Stewardess, die privat unterwegs war, neben mir. Beim zweiten Flug saß – ohne Witz – eine Hypnotiseu­rin direkt vor mir, Ruth Röthlisber­ger. Einer der liebsten Menschen, die ich je kennengele­rnt habe. Funktionie­rt hat die Hypnose nicht, aber das war der Situation geschuldet. Solche Hypnosen macht man normalerwe­ise im Vorfeld in Ruhe.

Conclusio

Die Angst ist nicht weg, aber sie ist weniger geworden. Öfter f liegen hilft. Sollten Sie betroffen sein, kann ich Ihnen eines dieser Seminare empfehlen. Mittlerwei­le gibt es einige Anbieter, wie etwa Ivinger’s Flugangsta­de.at, Viennaflig­ht.at oder auch direkt bei Austrian Airlines. Ich schließe diese Geschichte mit jenem Satz, den mir Angelika Ivinger beim Verabschie­den zugerufen hat: „Es gibt ein Leben nach dem Flug!“

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Ruth, die Hypnotiseu­rin (li.), tut ihr Bestes, um mich zu beruhigen

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