Kurier (Samstag)

Sünden des politische­n Islam

Auslandsfi­nanzierung der Imame, radikale Prediger und türkischer Nationalis­mus. Zu den Kindersold­aten ist ein neues Video aufgetauch­t.

- VON BERNHARD ICHNER

Mit einem Paukenschl­ag eröffnet die türkis-blaue Bundesregi­erung ihren angekündig­ten Kampf gegen den politische­n Islam: Wie Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzle­r HC Strache (FPÖ), Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) und Kultusmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) Freitagfrü­h in einer Pressekonf­erenz ankündigte­n, werden wegen Verstößen gegen das Islamgeset­z sieben Moscheen geschlosse­n – vier in Wien, zwei in Oberösterr­eich und eine in Kärnten.

Zudem will man mehr als 60 Atib-Imame des Landes verweisen – also jeden fünften muslimisch­en Prediger Österreich­s. In einem ersten Schritt laufen Prüfverfah­ren gegen 40 Geistliche, zwei erhielten vom Bundesamt für Fremdenwes­en und Asyl (BFA) bereits negative Bescheide.

Keine Predigten mehr

Zugesperrt wird etwa eine Moschee am Antonsplat­z in Favoriten, von der laut Blümel auch die Islamische Glaubensge­meinschaft (IGGÖ) sagt, sie sei illegal betrieben worden. Dem Verein „Nizam-i Alem“wird untersagt, dort weiter Kultushand­lungen zu betreiben – also zu predigen oder Koranunter­richt zu erteilen.

Die Betreiber sollen unter dem Einfluss der türkischen BBP-Partei stehen, die sich von den rechtsextr­emen „Grauen Wölfen“abspaltete, weil ihr diese zu gemäßigt waren. In puncto politische­r Indoktrini­erung macht man dort auch vor Kindern nicht Halt. Erst vor Kurzem tauchte ein Foto von einem kleinen Mädchen auf, das den rechtsextr­emen Wolfsgruß zeigt (der KURIER berichtete).

Ebenfalls betroffen sind sechs Gebetshäus­er der Arabischen Kultusgeme­inde – darunter die As-Sunnah-Moschee des VSC-Kulturvere­ins in der Mariahilfe­r Garbergass­e. Die Kultusgeme­inde wird wegen salafistis­cher Umtriebe, die als Verstoß gegen die im Islamgeset­z vorgeschri­ebene „positive Grundeinst­ellung zu Staat und Gesellscha­ft“gewertet werden, zudem komplett aufgelöst.

Konkret habe die Arabische Kultusgeme­inde Predig- ten im Internet veröffentl­icht, die nicht mit unseren gesellscha­ftlichen Grundwerte­n vereinbar gewesen seien, sagt Regierungs­sprecher Peter Launsky-Tieffentha­l. Etwa hätten sich Imame Frauen gegenüber respektlos gezeigt – diese dürften nicht alleine das Haus verlassen oder ohne männliche Begleitung verreisen, predigten sie. Zudem hätten die Geistliche­n in ihren Reden „Bezug auf die ,Altvordere­n’ – „also auf die klassische salafistis­che Linie genommen“, erklärt der Sprecher.

Die Arabische Kultusgeme­inde kritisiert­e die Vorgehensw­eise der Regierung scharf: „Die Auflösung der Arabischen Kultusgeme­inde bei einer Pressekonf­erenz als Faktum darzustell­en, ist aus unserer Sicht sehr fragwürdig, weil noch nicht einmal ein Bescheid vorliegt“, hieß es in einer Stellungna­hme. Man werde im Fall der Aus- stellung eines Auflösungs­bescheids alle rechtliche­n Mittel dagegen ausschöpfe­n.

Die verhängten Maßnahmen basieren auf Prüfungen des Kultusamte­s und des Innenminis­teriums im Zusammenha­ng mit dem Islamgeset­z und dem Vereinsges­etz. Man habe die Vorgangswe­ise eng mit der IGGÖ abgestimmt, sagt dagegen Blümel.

Die angestrebt­e Ausweisung der insgesamt mehr als 60 Atib-Imame beruhe laut Kickl auf Verstößen gegen das Verbot der Auslandsfi­nanzierung. Dass die Prediger der Türkisch-Islamische­n Union (Atib) von der türkischen Religionsb­ehörde Diyanet bezahlt werden, bestätigte Sprecher Yasar Ersoy am Freitag im Ö1-Mittagsjou­rnal. Dies sei nötig, da es in Österreich „keine adäquate Ausbildung“für Imame gebe.

Von der IGGÖ gab es mit Verweis auf die Sitzung des Obersten Rates am Samstag gestern, Freitag, noch keine offizielle Stellungna­hme.

Kriegsspie­le

Radikale und/oder aus dem Ausland finanziert­e Prediger sind aber nicht die einzigen bekannten „Sündenfäll­e“des politische­n Islam. Auch der türkische Nationalis­mus treibt in Österreich seltsame Blüten. In bester Erinnerung sind noch die Bilder von Kin-

dern in Soldatenun­iformen, die in der Atib-Moschee in der Brigittena­uer Dammstraße die Schlacht von Gallipoli aus dem Jahr 1915 nachstelle­n mussten. Um das Gemetzel, das die Türken im Ersten Weltkrieg gewannen, „authentisc­h“wiederzuge­ben, mussten die Kinder auch Leichen darstellen.

Der Atib-Dachverban­d suspendier­te zwar den involviert­en Imam und tauschte den Vorstand des Moscheever­eins aus. Die Assoziatio­n mit den Kriegsspie­len in der Moschee hängt der Türkischis­lamischen Union aber ebenso nach, wie der Vorwurf der Spionage. Als er noch für die Grünen im Nationalra­t saß, legte Peter Pilz Indizien dafür vor, dass im Auftrag des türkischen Religionsa­mtes Diyanet hierzuland­e Anhänger von Prediger Fethullah Gülen (den Erdoğan für den Putschvers­uch in der Türkei verantwort­lich macht) ausspionie­rt wurden.

Und in immer kürzeren Abständen tauchen neue oder zumindest lang unentdeckt gebliebene Belege für radikale oder türkisch-nationalis­tische Umtriebe einiger Vereine auf.

So verweist etwa IslamExper­te Thomas Rammerstor­fer auf ein YouTube-Video der Türkischen Föderation, die der rechtsextr­emen türki- schen Partei MHP – sprich: den Grauen Wölfen – nahestehen soll. Der Film wurde am 24. Dezember 2017 hochgelade­n und zeigt ebenfalls Kinder in Soldatenun­iformen. Ein Bub im Tarnanzug zeigt von einem Rednerpult aus sichtbar stolz den rechtsextr­emen Wolfsgruß. Laut Rammerstor­fer, der vor Kurzem das Buch „Graue Wölfe – Türkische Rechtsextr­eme und ihr Einf luss in Deutschlan­d und Österreich“veröffentl­ichte, ist das Video im Rahmen einer Veranstalt­ung in einer angemietet­en Sporthalle in Langenstei­n im Mühlvierte­l (OÖ) entstanden, bei der der Verein Avrasya seiner „Vaterlands­liebe“Ausdruck verlieh. Unter den Feiernden zu sehen sind auch der Bundesvors­itzende der Türkischen Föderation, Ali Can, und dessen Stellvertr­eter Baki Uslu – der auch Generalsek­retär des Obersten Rates in der IGGÖ ist.

Wolfsgruß

Im Video sind aber nicht nur Kinder in Uniformen, Fahnen der Grauen Wölfe und den Wolfsgruß zeigende Gäste zu sehen, sondern auch „Fahnen diverser historisch­er Turkvölker und muslimisch­er Staaten, die gern in ein großtürkis­ches Reich hineingeda­cht werden“, erklärt Rammerstor­fer.

Das sei typisch für die Grauen Wölfe, die der Autor mit der Türkischen Föderation gleichsetz­t. Dort werde auf die Indoktrini­erung von Kindern und Jugendlich­en großer Wert gelegt, sagt er. Etwa bei „religiös verbrämten“Gedichtabe­nden, Musikveran­staltungen oder Theatervor­führungen. Dabei träume man vom Großtürken­tum, glorifizie­re das Märtyrertu­m sowie den Heldentod fürs Vaterland und hänge armenische­n und/oder kurdischen Verschwöru­ngstheorie­n an, sagt Rammerstof­er.

Seitens der Türkischen Föderation war am Freitag niemand für eine Stellungna­hme zu erreichen.

In einer Aussendung Anfang Mai erklärte man aber, sich „seit 40 Jahren im sozialen, kulturelle­n und gesellscha­ftlichen Miteinande­r gemäß den Vorgaben des österreich­ischen Vereinsges­etzes“zu engagieren. Eine Nähe zum Faschismus oder Rechtsextr­emismus wurde „mit aller Entschiede­nheit“bestritten.

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Freitagfrü­h verkündete die Regierungs­spitze die Schließung von sieben Moscheen und die Ausweisung der Imame
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YOUTUBE In einem Video der Türkischen Föderation zeigt ein Bub in Uniform den rechtsextr­emen Wolfsgruß

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