Kurier (Samstag)

Antisemiti­sche Vorfälle „der FPÖ belasten“

Alt-Kanzler Vranitzky im KURIER-Interview zur bevorstehe­nden Kurz-Reise nach Israel

- VON MARGARETHA KOPEINIG

Heute vor 25 Jahren, am 9. Juni 1993, hielt Franz Vranitzky als Kanzler eine historisch­e Rede an der Hebräische­n Universitä­t in Jerusalem. Tenor: Österreich­er waren nicht nur Opfer des Nationalso­zialismus, sondern auch Täter. Vranitzky entschuldi­gte sich im Namen der Republik bei den Opfern des NS-Regimes.

25 Jahre danach bricht heute Kanzler Sebastian Kurz zu einer Israel-Visite auf. KURIER: Herr Doktor Vranitzky, wie schätzen Sie heute die Beziehunge­n zu Israel ein? Franz Vranitzky: Die Beziehunge­n zu Israel sind intakt, es gibt keine Verzerrung­en, was das Einvernehm­en zwischen beiden Staaten stören könnte. Ist Israels Boykott der FPÖ-Minister keine Verzerrung?

Damit musste man rechnen. Ob das eine Störung der gesamtstaa­tlichen Beziehung ist, sei dahingeste­llt. Ihre Rede war eine Zäsur für die heimische Zeitgeschi­chte. War es auch eine Zäsur in den Beziehunge­n zu Israel?

Es war insofern eine Zäsur, als die Verhältnis­se zwischen beiden Ländern, die da und dort überschatt­et waren, nor- malisiert wurden. Das hat sich 1993 bestätigt. Ich bin mit meiner Delegation von der Staatsspit­ze außerorden­tlich freundscha­ftlich begrüßt und betreut worden. Welche Rolle spielten damals die Nahost-Verhandlun­gen?

Wir standen damals unter dem Eindruck der von Kreisky entwickelt­en These, dass es zu Friedens- und Normalisie­rungsverha­ndlungen zwischen Israel und der PLO nur dann kommen kann, wenn man der PLO einen Status einräumt, der sie zu Verhandlun­gen auf Augenhöhe berechtigt. Das war ja auch der Fall. Das Duo an Israels Staatsspit­ze (Rabin, Peres) haben dieser These nicht widersproc­hen. Ich habe sie weitergefü­hrt und habe Arafat zu einem anderen Zeitpunkt besucht. Die internatio­nale Gemeinscha­ft hat diesen Weg der Normalisie­rung honoriert, Rabin, Peres und Arafat bekamen 1994 den Friedensno­belpreis. Zum Unglück aller, ist Rabin später ermordet worden. Damit hat die Zeitgeschi­chte ein anderes Kapitel aufgeschla­gen. Erwartet sich Israel von Kanzler Kurz eine besondere inhaltlich­e Ansage ähnlich Ihrer Rede?

Wir sind aktuell mit einer explosiven Gemengelag­e konfrontie­rt. Die USA haben den Atomvertra­g mit dem Iran aufgekündi­gt. Das freut Netanjahu und die gemeinsame Feindschaf­t Israels, der USA und Saudi-Arabiens zum Iran ist nicht gerade ein Stabilisie- rungseleme­nt im Nahen Osten. Dazu kommt die SyrienFrag­e mit der spezifisch­en Positionie­rung Russlands und der Türkei. Für den Bundeskanz­ler gibt sich eine Gelegenhei­t, die österreich­ische Position darzustell­en, nämlich, dass der Vertrag mit dem Iran etwas ist, das man positiv sehen sollte. Werden auch antisemiti­sche Ausfälle der FPÖ angesproch­en?

Da mache ich keine Prognose, voraussetz­end, dass Is- rael sehr genau darüber Bescheid weiß, wie die so genannten Einzelfäll­e sich ständig wiederhole­n. Man hofft, selbst wenn man nicht daran glaubt, dass diese Einzelfäll­e einmal abnehmen. Sollte Kurz Ihre Gedanken von 1993 wiederhole­n?

Ich glaube davon ausgehen zu können, dass die zeitgeschi­chtliche Korrektur, die ich schon 1991 vorgenomme­n habe, mittlerwei­le in das Allgemeing­ut österreich­ischer politische­r Analysen eingegange­n ist. Ich nehme an, dass Bundeskanz­ler Kurz das Zurechtrüc­ken zu seinem politische­n Credo gemacht hat. Kurz distanzier­t sich aber nicht von vielen FPÖ-Aussagen?

Die beiden Regierungs­parteien geraten einander bei kontrovers­iellen, rechtslast­igen Angelegenh­eiten nicht in die Haare. FPÖ-Chef Strache zeigt sich als Israel-Freund. Glaubwürdi­g?

Selbst wenn man ihm das abnimmt, bleibt es bei den vielen Einzelfäll­en. Er behauptet, keinerlei Antisemiti­smus in sich zu tragen, aber auf der anderen Seite weist er seine Einzelfäll­e nicht so in die Schranken, dass sie damit aufhören.

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Franz Vranitzky beim Interview im Kreisky-Forum mit Margaretha Kopeinig

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