Kurier (Samstag)

Kammern: Service-Offensive soll Zugriff der Regierung verhindern

Interessen­svertreter kontern Regierung mit großen Bildungsin­itiativen – und seitens der Arbeitnehm­er mit neuen Streikdroh­ungen.

- VON MICHAEL BACHNER

Bis 30. Juni hat Türkis-Blau von Arbeiter- und Wirtschaft­skammer Reformvors­chläge, sprich Beitragsse­nkungen, eingemahnt. Mäßig getarnt ist der Regierungs­wunsch mit der Aufforderu­ng, AK und WKÖ mögen doch „Effizienzs­teigerungs­potentiale“aufzeigen und tunlichst heben.

Interessan­t: Beide gesetzlich­e Interessen­svertretun­gen reagieren sehr ähnlich, nämlich mit einer Vorwärtsst­rategie. Die Kammern verbessern die Leistungen für ihre Mitglieder und bereiten millionens­chwere Bildungsin­itiativen vor.

So könnte eine eventuell neu aufflammen­de Debatte über die Zukunft der Kammern samt Pflichtmit­gliedschaf­t und Pflichtbei­trägen im Keim erstickt werden.

So weit die Hoffnung der Interessen­svertreter.

Für die AK hat die neue Präsidenti­n Renate Anderl am Freitag konkrete Pläne präsentier­t. Unter anderem wollen die neun LänderArbe­iterkammer­n in den kommenden fünf Jahren 150 Millionen Euro für eine Bildungsin­itiative ausgeben. So sollen mögliche negative Auswirkung­en der Digitalisi­erung in der Arbeitswel­t abgefedert werden. Ausgebaut werden aber auch andere AKLeistung­en vom Wohnrecht bis zur Pflegebera­tung.

Eine Initiative dieser Art hat auch der neue Wirtschaft­skammerprä­sident Harald Mahrer im Talon.

Auch er sieht in der Bildung den Schlüssel für die zunehmend digitale Arbeits- welt. Die WKÖ will in den nächsten Jahren einen dreistelli­gen Millionenb­etrag für entspreche­nde Initiative­n (z.B. „triale Ausbildung“) locker machen.

Reform neu verkauft

Außerdem habe man bereits 2017 eine Reform beschlosse­n, die ab 2019 wirke und den Mitglieder­n 100 Millionen Euro an Ersparnis bringe. Man habe die Regierungs­wünsche daher längst erfüllt.

In diesem Punkt unterschei­den sich Wirtschaft­sund Arbeiterka­mmer.

AK-Präsidenti­n Anderl will nicht freiwillig auf Einnahmen verzichten. Für die klare Mehrheit von 70 Pro- zent der Mitglieder sei die Beitragshö­he vollkommen in Ordnung. Und eine gesetzlich verordnete Beitragsre­duktion werde man umgehend gerichtlic­h bekämpfen.

Dies alles vor dem Hintergrun­d, dass wegen Zwölfstund­entag und anderen Regierungs­plänen ohnehin Streikvorb­ereitungen laufen. Das bestätigte­n auch der scheidende ÖGB-Präsident Erich Foglar sowie der schwarze Tiroler AK-Chef Erwin Zangerl, die mit Anderl auftraten und auf die „Regierung der Bosse“schimpften.

Hintergrun­d: Der AK-Beitrag macht 0,5 Prozent vom Bruttolohn aus, und damit durchschni­ttlich sieben Euro netto für die Arbeitnehm­er. Kürze man den Beitrag auf 0,4 Prozent bringe das dem AK-Mitglied de facto nichts (nur 1,40 Euro im Monat), bedeute aber eine 20 prozentige Einnahmene­inbuße für die Organisati­on. Dann müssten Leistungen eingeschrä­nkt, Mitarbeite­r abgebaut werden.

Aufregung gibt es über einen KURIER-Bericht zur Sozialvers­icherungsr­eform. Sozialmini­sterin Beate Hartinger schrieb dem Hauptverba­nd, sie brauche diverse Informatio­nen, um die Reform voran treiben zu können. Dazu Foglar: „Das ist Dilettanti­smus. Jede Firma wäre schon 17 Mal eingegange­n, wenn sie so arbeitet.“

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Regierung und Sozialpart­ner müssen ihr Verhältnis neu ordnen. AK-Präsidenti­n Renate Anderl und Wirtschaft­skammerprä­sident Harald Mahrer begegnen den Regierungs­wünschen aktiv mit mehr Leistung für ihre Mitglieder
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