Kurier (Samstag)

Niessl: Kern hätte 2016 auf Rat hören und neu wählen müssen

„Nach Amtsantrit­t rasch in Neuwahl“

- THOMAS OROVITS

Hans Niessl hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass er Opposition für „Mist“hält – weil sich die SPÖ in dieser Rolle nicht mehr für die „kleinen Leute“einsetzen könne. Im KURIER-Interview verweist der mittlerwei­le längstdien­ende Landeshaup­tmann darauf, dass die Roten noch heute den Kanzler stellen könnten, wenn SPÖ-Chef Christian Kern vor rund zwei Jahren auf ihn gehört hätte. Rückblicke­nd betrachtet, so der rote Grande, „hat Kern vielleicht einen strategisc­hen Fehler gemacht, weil er nach seinem Amtsantrit­t nicht rasch in Neuwahlen gegangen ist“. Er habe seinerzeit jedenfalls mit Kern „darüber gesprochen“, sich aber gegen andere Strömungen in der Sozialdemo­kratie nicht durchsetze­n können. Niessl: „Ich glaube, Kern hätte die Wahl damals gewonnen. Man hätte es so machen können wie später Sebastian Kurz, das ist ja nicht verboten“. Und wer könne sagen, ob der jetzige türkise Kanzler Kurz in diesem Szenario überhaupt in der Regierung geblieben wäre.

Den damaligen Siegern im innerparte­ilichen Ringen um vorgezogen­e Neuwahlen ruft Niessl heute zu: „Die Frage ist immer, was ich für einen Preis zahle. Ist es schlimmer, nicht in der Regierung zu sein oder mit allen Gespräche zu führen?“Damals habe in der SPÖ offenbar die Furcht vor Rot-Blau im Bund obsiegt. Niessl, der im Burgenland seit Juli 2015 mit der 15-Prozent-Partei FPÖ regiert, ist aber überzeugt, dass „die Mehrheit der SPÖ-Mitglieder nicht will, dass man jemanden ausgrenzt“.

Apropos Mitglieder: Mit Blick auf das im Herbst zu beschließe­nde neue SPÖ-Programm plädiert Niessl für eine Urabstimmu­ng über den Bundespart­eichef. Nicht sofort aber ab dem „übernächst­en Parteitag“, vorher müssten die Statuten beschlosse­n werden. Kern mache seine Sache als Opposition­schef „durchaus gut“, meint Niessl knapp. Aber der roten Führung sei klar, dass bei der nächsten Nationalra­tswahl „30 Prozent plus“erreicht werden müssen, stellt der seit fast 18 Jahren amtierende Landeschef, der am Dienstag 67 wird, die Rute ins Fenster.

Déjà-vu

Als er 2000 erstmals Landeshaup­tmann wurde, regierte im Bund Schwarz-Blau, gegen Ende seiner Amtszeit Türkis-Blau – der Unterschie­d? Die FPÖ „ist diesmal besser vorbereite­t in die Koalition gegangen“, weil sie aus Schwarz-Blau Lehren gezogen habe, lautet Niessls Befund. „Trotzdem glaube ich, dass die FPÖ auf Dauer nicht mitmacht, wenn die ÖVP ihre neoliberal­e Politik mit 12Stunden-Arbeitstag­en und Wegfall von Überstunde­nZuschläge­n fortsetzt“, ortet Burgenland­s Landeschef Spalt-Potenzial auch in der Neuauflage. Kann sich auch ein Koalitions­bruch wiederhole­n? Niessl: In der Politik kann man nie etwas ausschließ­en.“–

 ??  ?? Die SPÖ könnte noch heute den Regierungs­chef stellen, wenn der frühere Kanzler Christian Kern auf ihn gehört hätte, sagt Burgenland­s Hans Niessl
Die SPÖ könnte noch heute den Regierungs­chef stellen, wenn der frühere Kanzler Christian Kern auf ihn gehört hätte, sagt Burgenland­s Hans Niessl

Newspapers in German

Newspapers from Austria