HARSCHE REAKTIONEN
Der Zeitpunkt, den Türkis-Blau für die Präsentation der Ausweisung von Imamen und der Schließung von Moscheen gewählt hat, hätte provokanter kaum sein können: Denn in der Türkei – einem der Hauptadressaten der politisch heiklen Botschaft – ist der Parlamentswahlkampf drei Wochen vor dem Urnengang am Höhepunkt angelangt. Auch in Österreich dürfen ab jetzt Auslandstürken wählen gehen – das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Wien und Ankara verschlimmert sich seit Wochen zusehends.
„Und in dieser Situation“, sagt Politikwissenschaftler Thomas Schmidinger zum KURIER, „gießt man nun Öl ins Feuer“. Der Experte ortet „Wahlhilfe“für autoritäre Parteien in der Türkei, insbesondere für Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Denn es dauerte keine drei Stunden, da meldete sich bereits ein Sprecher Erdoğans zu Wort: Die türkis-blaue Regierung habe eine „rassistische“und „islamophobe“Maßnahme gesetzt, sagte der türkische Funktionär. Überhaupt spiegle die Auflösung mehrerer Moscheen eine „diskriminierenden Welle“wider, die durch Österreich gehe – die Regierung verspreche sich „politisches Kleingeld“.
Schmidinger sieht nun zwei Möglichkeiten: „Entweder handelt es sich bei der Wahl des Zeitpunktes um pure Dummheit oder um blanken Zynismus.“Denn schließlich profitiere ja auch Türkis-Blau vom Streit mit Erdoğan, nicht nur der türkische Präsident selbst. „Profiteure dieses Streits sind auf jeden Fall FPÖ, ÖVP und Erdoğan“, fasst er zusammen. Auch Thomas Rammerstorfer, Experte für türkischen Rechtsextremismus, sieht in der Aktion ein „Wahlgeschenk“für Erdoğan, der laut Umfragen um seine Mehrheit bangt.
Selbst aus den eigenen Reihen setzt es leise Kritik: Denn wiewohl der ÖVP-Mandatar und Islam-Experte Efgani Dönmez das Vorgehen gegen den politischen Islam „inhaltlich super“findet, hätte er mit der Präsentation „lieber die türkische Wahl abgewartet“. Nachsatz: „Ich hätte das jedenfalls getan.“
Die Regierung weist diese Kritik von sich: Man wolle sich nicht nach der Türkei richten – und die ersten Bescheide gegen Imame seien eben am Donnerstag ausgestellt worden, heißt es aus dem Kanzleramt.