Kurier (Samstag)

Arnautovic brach sich die Hand

Mit einem speziellen Verband will der Wiener gegen Brasilien spielen.

- VON MARKUS PONWEISER

Im Stadion von Mineirão, Schauplatz des 1:7 gegen Deutschlan­d bei der HeimWM vor vier Jahren, kam es vor kurzem zu einer Art Vergangenh­eitsbewält­igung: Das Tornetz, in das Deutschlan­d in der ersten Halbzeit fünf Treffer gelegt hatte, wurde in 8150 Stücke zerteilt. Jedes ist zum an das Ergebnis angelehnte­n Preis von 71 Euro zu kaufen. Ziel der Aktion ist es, 500.000 Euro für wohltätige Zwecke zu sammeln – und die bösen Erinnerung­en von damals in etwas Positives umzuwandel­n.

Umwandlung ist generell ein Zauberwort, dem sich der brasiliani­sche Fußball nach dem Debakel verschrieb­en hat. Nur fünf Spieler, die vor vier Jahren im WM-Kader standen, sind auch in Russland mit von der Partie. Noch wichtiger war aber vielleicht der Wechsel auf dem Trainerpos­ten. Der Teamchef Adenor Leonardo Bachi, genannt Tite, ist seit 2016 im Amt und hat aus dem taktisch oft undiszipli­nierten brasiliani­schen Team eine kompakte Einheit geformt.

Überzeugte­r Europäer

Tite hat sich in Brasilien vor allem als Trainer von Corinthian­s einen Namen gemacht. Mit dem Verein aus São Paolo gewann er zwei Meister- schaften und holte 2012 im Finale gegen Chelsea den Weltpokal. Tite gilt als Verfechter der europäisch­en Spielweise. Er führte bei der Seleção ein flexiblere­s 4-3-3 ein und verabschie­dete sich damit von der langjährig­en Tradition der Doppelsech­s. Die Systemumst­ellung ging auf: Brasilien war das erste Team, das sich für Russland qualifizie­rt hat. In den vergangene­n zwanzig Partien kassierten die Südamerika­ner nur fünf Gegentore.

Die neugewonne­ne Kompakthei­t bemerkte auch der ehemalige Argentinie­nTeamchef César Luis Menotti. Nach dem 3:0 Brasiliens über Argentinie­n kurz nach Tites Amtsantrit­t meinte er: „Sie verteidige­n jetzt zwanzig Meter höher und stehen enger zusammen. Es ist wie das Brasilien von 1970.“Den 2014 noch brüchigen Team-

geist stärkte Tite durch eine Maßnahme, auf die er schon bei Corinthian­s zurückgegr­iffen hatte: Er ernennt in jeder Partie einen anderen Kapitän. Nicht aus reiner Nettigkeit, wie er betont: „Jeder Spieler hat eine unterschie­dliche Art von Führungsst­ärke – technisch, taktisch oder durch sein Auftreten. Ich will die Spieler ermutigen, ihre eigene Stärke zu zeigen.“

Weniger ist mehr

Gegen Österreich könnte der Kapitän Neymar heißen. Der PSG-Star wird am Sonntag sein Startelf-Comeback geben und ist einer der fünf Spieler, die 2014 dabei waren. Er ist nach wie vor der große Hoffnungst­räger. Die „Neymardepe­dencia“, wie die Abhängigke­it der Seleção von ihm in Brasilien genannt wird, ist aber geringer als noch vor vier Jahren.

Zu viel Qualität hat der Kader seitdem dazugewon- nen. Statt des unbeliebte­n Fred, der beim 1:7 bei jedem Ballkontak­t ausgepfiff­en wurde, hat Tite die Wahl zwischen dem Liverpoole­r Firmino und Manchester-City-Angreifer Gabriel Jesus. Dahinter zieht Coutinho (Tite: „Es gibt einen Grund, warum ihn die Leute ,Zauberer‘ nen- nen“) die Fäden. Das nimmt auch den Druck von Neymar.

Die Erwartunge­n in Brasilien sind wie immer riesig. Anspruch und Wirklichke­it liegen aber nicht mehr so weit auseinande­r wie 2014. Durch die Umwandlung zählt Brasilien in Russland wieder zu den Top-Favoriten.

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Der Superstar: Neymar meldete sich nach monatelang­er Verletzung­spause rechtzeiti­g für die WM zurück. Am Sonntag gibt er gegen Österreich sein Startelf-Comeback

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