Veronica Kaup-Hasler
Die Dramaturgin und Festivalmacherin – sie leitete den „steirischen herbst“– bringt eine erfrischende Note in die Wiener Politik: Als parteiunabhängige Kulturstadträtin lädt sie zum „wilden Denken“ein. Ohne Scheu spricht sie Problemfelder an.
KURIER: Wie wird man als Kulturmanagerin Stadträtin? Veronica Kaup-Hasler: Am 11. Mai – ich war gerade in Athen – rief mich Wohnbaustadtrat Michael Ludwig an. Das war ein Freitag. Er fragte mich, ob ich für die Stadt Wien arbeiten will. Ich fragte: Als was denn? Die Institutionen sind ja alle besetzt. Er sagte: Als Kulturstadträtin. Ich musste herzlich lachen und meinte, wir könnten uns ja gerne einmal kennenlernen. Er meinte, dass er meinen Werdegang verfolgt hätte – und dass bereits am Montag die Pressekonferenz sei. Er gab mir drei Stunden. Aber bereits nach einer halben Stunde sagte ich ja. Die Möglichkeit, Wien mitzugestalten, ergibt sich nur einmal im Leben. Dass Sie nicht bei der SPÖ sind?
War meine Voraussetzung. Ludwig fragte mich nach meinem Verhältnis zur Sozialdemokratie. Es gibt viele Werte, die ich mit ihr tei- le. Dennoch möchte ich auf meiner Unabhängigkeit beharren. Das hat Ludwig akzeptiert. Und das war für mich ein weiteres Argument, ja zu sagen. Wenn ich mir nun die neue Stadtregierung anschaue: Das sind Menschen, mit denen ich wirklich gerne im Team arbeite. Auch deshalb, weil Ludwig bewusst Experten von außen hereingeholt hat, also Peter Hanke und Peter Hacker. Im Gegensatz zu Hacker und Hanke, die für städtische Unternehmen gearbeitet haben, kommen Sie von ganz außen. Könnte es nicht schwierig werden, keine Hausmacht zu haben?
Es kann auch ein Vorteil sein. Man hat zwar keine Seilschaften, aber auch keine Altlasten. Ich komme eben direkt aus der Kunst – und bleibe ihre Agentin. Wenn nun auch nicht mehr unmittelbar, sondern aus der Distanz. Ich sehe die Kulturpolitik im Grunde genommen als ein erweitertes Aktionsfeld. Und wie stellt sich dieses Feld nun, nach einem Monat, dar?
Es gibt viele Baustellen. Ich springe zwischen unterschiedlichen Themen – von architektonischen Fragestellungen bis zum Film – hin und her. Das ist ein unglaublicher Tanz. Aber er macht Freude. Gehen wir doch die Baustellen durch. Beginnen wir mit der Kunsthalle Wien. Als Einstandsgeschenk dürfen Sie eine neue Leitung bestellen.
Ja, da hat sich mirakulöserweise ein weiteres Feld eröffnet. Direktor Nicolaus Schafhausen hat am Tag vor meiner Angelobung seinen Rücktritt erklärt. Er argumentierte mit dem Rechtsruck hierzulande. Doch seine Budgetverhandlungspartner können nicht einmal in der Theorie die Freiheitlichen sein.
Seine Argumentation scheint leicht paradox. Ich persönlich würde mich anders verhalten und die politische Situation auf Bundesebene als Herausforderung empfinden. Das ist auch eine Begründung für meine jetzige Funktion. Es geht darum, klare Zeichen zu setzen – für eine Gesellschaft, die andere Werte teilt und utopische Visionen verfolgt. Aber ich respektiere Schafhausens Entscheidung und werde Experten zu einer Reflexion über die Kunsthalle einladen: Welches Profil müsste sie haben, um interessant zu sein? Welchen Auftrag sollte sie haben? Ich will zum wilden Denken einladen. Auch der Standort soll infrage gestellt werden: Ist eine Kunsthalle, versteckt hinter der Winterreithalle, im Museumsquartier sinnvoll? Erst wenn Resultate vorliegen, soll eine Ausschreibung erfolgen. Wir haben zum Glück Zeit. Denn Schafhausen konzipiert das Programm bis Ende 2019. Neben der Kunsthalle liegt das Volkstheater, das nun erst 2019 saniert wird. Es kämpft mit groben Auslastungsproblemen.
Ich kenne Anna Badora schon lange. Eben weil sie vor dem Volkstheater das Grazer Schauspielhaus geleitet hat. Ich finde es bedauerlich, dass ihre Arbeit hier nicht im gleichen Maße geschätzt wird. Die Frage, ob ihr Vertrag verlängert wird oder nicht, ist offen. Wir reden intensiv – und wissen, dass der Zeithorizont knapp bemessen ist. Nicht weit weg in Richtung Karlsplatz ist das Büro der Wiener Festwochen. Viele sind unzufrieden mit dem Programm von Tomas Zierhofer-Kin, manche fordern sogar seine Ablöse.
Ich werde erst nach Ende der heurigen Festwochen, also nach dem 17. Juni, mit ihm sprechen. Das Festival präsentiert auch heuer viele interessante Künstler. Man muss sich aber generell die Frage stellen, inwieweit der Grundauftrag gut erfüllt wird. Ich unterstütze und helfe gerne. Ursula Pasterk, Kulturstadträtin von 1987 bis 1996, war auch Intendantin und Präsidentin der Festwochen. Da Sie einst als Dramaturgin für das Festival gearbeitet haben: Wäre eine Doppelfunktion denkbar?
Das wäre Humbug. Noch ist die Pille nicht erfunden worden, mit der man zwei Fulltime-Jobs machen kann. Ihr Aufgabengebiet ist weit kleiner als jenes Ihres Vorgängers. Andreas Mailath-Pokorny war auch für Sport und den Presseinformationsdienst zuständig.
Come on! Kunst, Kultur und Wissenschaft reichen völlig aus, um einen erfüllten Arbeitstag zu haben! Meine Liebe zu den Wienerinnen und Wienern ist zu groß, als dass ich hätte das Sportressort übernehmen wollen. Gleich neben den Festwochen liegt das Büro der Vereinigten Bühnen Wien. Wenn man sich Ihre Biografie anschaut: Mit Musical haben Sie nichts am Hut.
Ich nähere mich mit Interesse dem mir noch Fremden! Die VBW erhalten fürs Musical pro Jahr knapp 20 Millionen Euro. Die freie Szene bekommt hingegen nur einen Bruchteil dieser Summe – und führt Klage.
Mein Anliegen ist es, diesen Gap zu verkleinern. Das heißt aber nicht, dass ich den einen etwas wegnehme. Aber vielleicht bekommen die anderen mehr. Das heißt: Das Kulturbudget wird erhöht werden?
Wie Sie wissen, ist das Kulturbudget im letzten Jahr-