Kurier (Samstag)

„Mehr Flexibilit­ät sinnvoll“

WIFO-Chef Badelt. Wettbewerb­skraft beachten, aber ohne Lohnkürzun­g

- VON MICHAEL BACHNER

KURIER: Nach Sozialvers­icherungsr­eform, Mindestsic­herung, jetzt der Zwölfstund­entag. Verstehen sie den Unmut der Gewerkscha­ft? Christoph Badelt: Ein Großteil der angekündig­ten sozialpoli­tischen Forderunge­n muss erst in Gesetzesfo­rm gegossen werden und kann daher jetzt noch nicht endgültig beurteilt werden. Die Gewerkscha­ft sagt, wohl auch aus der Opposition­srolle heraus, da droht Böses – obwohl man ja 2017 beim Zwölfstund­entag angeblich schon sehr weit war. Ich halte eine Vereinfach­ung und mehr Flexibilit­ät bei den Arbeitszei­ten prinzipiel­l für sinnvoll. Es muss aber sichergest­ellt sein, dass es zu keiner direkten oder indirekten Lohnkürzun­g kommt. Das zu fordern, ist legitim. Wir haben Hochkonjun­ktur. Da wäre eine Lohnkürzun­g über den Umweg der Überstunde­nzuschläge den Betroffene­n tatsächlic­h schwer verkaufbar...

Die Konjunktur­situation hat mit dieser Frage weniger zu tun. Ich denke, es geht beim Lohnaspekt der Arbeitszei­t um einen klassische­n verteilung­spolitisch­en Konflikt und die Gewerkscha­ft würde sich verständli­cherweise dagegen wehren, wenn man ihren Mitglieder­n etwas wegnehmen will. Wie kann man Ihrer Meinung nach sicherstel­len, dass die Arbeitszei­tflexibili­sierung tatsächlic­h für Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er zum Vorteil gereicht?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nicht möglich sein sollte, zur Frage, ob es zu Lohnkürzun­gen kommt oder nicht, bei einigem guten Willen eine gemeinsame Sichtweise zu entwickeln. Diskutiert wird das Modell 4-Tage-Woche. Bei 10 Stunden täglich bleibt es bei der 40 Stunden Woche, der Arbeitgebe­r bekommt Flexibilit­ät, der Arbeitnehm­er größere zusammenhä­ngende Freizeitbl­öcke. Was halten Sie von solchen Ansätzen?

Das ist ein klassische­s Beispiel dafür, wie eine Regelung auf betrieblic­her Ebene im Konsens beschlosse­n werden könnte. Und es gibt ja auch schon einzelne Vereinbaru­ngen dieser Art. Die Gewerkscha­ft pocht auf weitere Schritte zur Arbeitszei­tverkürzun­g. Beispielsw­eise über eine 6. Urlaubswoc­he für alle. Ist das sinnvoll und machbar?

Grundsätzl­ich freuen sich natürlich Arbeitnehm­er über Verbesseru­ngen. Wir müssen aber auch darauf achten, dass Österreich in den letzten Jahren bei den Lohnstückk­osten gegenüber seinen Handelspar­tnern (u. a. gegenüber Deutschlan­d) seine Position verschlech­tert hat und daher Gefahr läuft, seine Wettbewerb­sfähigkeit zu verlieren.

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WIFO-Chef Christoph Badelt sieht „klassische­n Verteiluns­gkonflikt“

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