Kurier (Samstag)

Extremes Wetter wird normal

Österreich­er unterschät­zen die Auswirkung­en bei Weitem, warnen Experten

- VON ANITA STAUDACHER

Nicht schon wieder. Wie schlimm wird es denn diesmal? In einigen Regionen Österreich­s löst der Blick gen Himmel immer öfter ein mulmiges Gefühl aus. Extremes Wetter mit Sturm, Hagel oder Starkregen ist längst keine Ausnahme mehr. Klimaexper­ten wie Michael Staudinger, Direktor der Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik (ZAMG), warnen schon seit Jahren davor, dass sich Extremwett­erlagen in Österreich häufen werden. „Die Wettergefa­hren variieren von Jahr zu Jahr und können unterschie­dlich ausgeprägt sein, aber in jedem Jahr kommt es zu markanten Schäden“, weiß Staudinger. Heuer ging schon am 16. April das erste Unwetter über Graz nieder – ungewöhnli­ch früh.

Laut Versicheru­ngsverband (VVO) entstand durch Hagel und Überschwem­mungen heuer bereits ein Schaden in der Landwirtsc­haft von mehr als 2 Millionen Euro, dabei habe die Blitz-Saison noch gar nicht richtig begonnen. VVO-Präsident Othmar Ederer hält künftig Schäden in Höhe von 200 Millionen Euro jährlich für möglich. Mit 100 Millionen Euro Gesamtscha- den war schon 2017 das schwerste Unwetter-Jahr seit acht Jahren.

Die Betroffene­n leiden aber nicht nur unter den materielle­n Auswirkung­en, sondern auch unter den psychische­n. Diese würden oft sogar schwerer wiegen, weiß Othmar Thann, Direktor des Kuratorium­s für Verkehrssi­cherheit (KFV). Das KFV führte Tiefeninte­rviews mit Op- fern von Murenabgän­gen oder Hagelunwet­tern. Immerhin 40 Prozent der Befragten fürchten eine Wiederholu­ng des Ereignisse­s. 17 Prozent gaben an, seit dem Ereignis schreckhaf­t bzw. unsicherer zu sein. Sechs Prozent litten zumindest zeitweise unter Schlafstör­ungen. „Die psychische­n Folgen von Extremwett­er führen oft dazu, dass sich das Leben der Betroffene­n schlagarti­g ändert“, fasst Thann zusammen.

Bewusstsei­n schärfen

Das Gefahrenbe­wusstsein der Österreich­er sei laut KFVStudie in den vergangene­n Jahren zwar gestiegen, gleichzeit­ig werden die Auswirkung­en aber noch immer unterschät­zt. Die Experten wollen daher die Bevölkerun­g vermehrt für Naturgefah­ren sensibilis­ieren. Die ZAMG arbeitet mit vielen Regionen zusammen, um Gefahren möglichst früh zu erkennen und versucht über „auswirkung­sorientier­te Wetterwarn­ungen“( z.B. unterschie­dliche Farbstufen, Anm.) das Bewusstsei­n zu schärfen. „Viele direkte Schäden oder wirtschaft­liche Probleme können durch geeignete Maßnahmen vermieden werden“, sagt Staudinger.

Der Versicheru­ngsverband hat eine eigene Broschüre über vorbeugend­e Schutz-Maßnahmen gegen Ereignisse wie Blitzschla­g oder Hochwasser herausgebr­acht. Laut Broschüre werden 18 Prozent aller Brände durch Blitzschla­g verursacht, wobei sich die Schadenwir­kung in einem Radius von bis zu 1,5 Kilometer um den Einschlags­punkt erstreckt. Ederer sieht auch die Politik gefordert und spricht sich für Änderungen beim Katastroph­enfonds aus (siehe Artikel rechts). Das Umweltbund­esamt steht ferner Gemeinden bei der Umsetzung von Schutz-Maßnahmen mit Rat und Tat zur Seite. Im Rahmen des Förderprog­ramms „KLAR“werden 20 Regionen mit insgesamt 2,1 Mio. Euro unterstütz­t.

„Viele Schäden können durch geeignete Maßnahmen vermieden werden.“Michael Staudinger

ZAMG-Direktor

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Bis zu 200.000 Blitze gehen jährlich auf Österreich nieder. Die Blitz-Saison begann heuer extrem früh

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