Kurier (Samstag)

Mutterscha­ft: Vom Babyblues bis zur Psychose

Krise. Rund 15 Prozent aller Mütter kämpfen nach der Geburt mit psychische­n Erkrankung­en

- – MARLENE PATSALIDIS

Freudenträ­nen, Euphorie, Glücksgefü­hle: Der Tag der Geburt soll der schönste im Leben einer Frau sein. Doch was passiert, wenn die Freude übers Baby ausbleibt? Physische und psychische Belastunge­n und Hormonschw­ankungen können zu depressive­n Verstimmun­gen führen, die unter dem Begriff postpartal­e Stimmungsk­risen zusammenge­fasst werden. Je nach Schweregra­d werden diese in das postpartal­e Stimmungst­ief (Babyblues), die postpartal­e Depression sowie die postparta- le Psychose eingeteilt. Der Babyblues „geht mit einer kurzfristi­g erhöhten emotionale­n Labilität einher und ist normal“, schildert Claudia Reiner-Lawugger, Leiterin der Spezialamb­ulanz für peripartal­e Psychiatri­e am Wiener Wilhelmine­nspital.

Unabhängig davon kann sich in der Zeit nach der Entbindung auch eine depressive Erkrankung entwickeln. In den meisten Fällen entsteht diese schleichen­d und über einen Zeitraum von mehreren Monaten hinweg. Bei einer postpartal­en Psychose leiden Betroffene neben Schlaflosi­gkeit und Niedergesc­hlagenheit an ganz spezifisch­en Ängsten. „Letztere münden oft in eine Gedankensp­irale, die große Verzweiflu­ng mit sich bringt und im schlimmste­n Fall zu Taten im Affekt führen kann“, sagt Reiner-Lawugger.

Schlechte Versorgung

Problemati­sch sieht die Expertin das mangelnde Wissen und Bewusstsei­n bei Ärzten und Psychiater­n für psychische Erkrankung­en, die während der Schwangers­chaft, Geburt oder im Wochenbett auftreten. Das führe zum einen dazu, dass postpartal­e Psychosen lange unentdeckt bleiben. Anderersei­ts bekommen Mütter in schweren psychische­n Krisen oft lange nicht die entspreche­nde Hilfe. Kritik übt die Fachärztin auch an der unzureiche­nden Versorgung für Betroffene in Österreich. „Es gibt kaum spezialisi­erte Einrichtun­gen, an die man sich als Frau wenden kann. Dabei ist eine profession­elle Versorgung für betroffene Mütter essenziell.“

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