Kurier (Samstag)

Der Unsicherhe­itsfaktor sind die Sicherheit­sleute

Der Wachmann. Der preisgekrö­nte Roman aus Belgien lässt zwischen Klaustroph­obie und Paranoia wechseln

- – P.PISA

Auf Godot haben schon viele gewartet, aber erstmals geschieht es in einer Tiefgarage.

Und rufen will man: Geht doch einfach raus aus dem Gefängnis! Das innere Gefängnis zu knacken, ja, so was ist schwierig. Aber die Tür, die auf die Straße führt, die wird sich doch wohl aufstoßen lassen!

Können sie nicht, denn sie haben ihre Pflicht zu erfüllen, vielleicht werden sie ja befördert. Nur den Blick durch einen Spalt gönnen sie sich manchmal.

„Sie“sind Wachmänner in einem 40-stöckigen Haus mit Luxusappar­tements. Michel und Harry. Sie bewachen in der Garage die einzi- ge Tür ins Gebäude. Sie haben Uniform und Pistole, und zwei Mal täglich zählen sie die Patronen, obwohl sowieso kein Schuss fällt.

Der Belgier Peter Terrin hat diese beiden „Helden“erfunden. Schon vor acht Jahren bekam er dafür den Literaturp­reis der Europäisch­en Union. Jetzt erst folgt die Übersetzun­g. Man pendelt zwischen Klaustroph­obie und Paranoia.

Wieso Tennisschu­he?

Man könnte „Der Wachmann“durchaus auch als Kritik an mancher Politik sehen.

Denn diese Wachmänner sorgen für Sicherheit, wo keine Gefahr ist. Sie sind nicht ganz dicht: Vor dem Lieferante­n, der ihnen Essen bringt, fuchteln sie mit der Waffe, denn er trägt – Tennisschu­he. Bisher hatte er nie Tennisschu­he. Wieso jetzt? Hat er vielleicht terroristi­sche Hintergeda­nken?

Die reichen Bewohner und ihre Bedienstet­en haben das Haus fast alle verlassen. Draußen vor der Tür scheint etwas passiert zu sein. Draußen könnte es eine Katastroph­e gegeben haben.

Aber drinnen in der Garage sind die Wachmänner die einzige Gefahr. Die Sicherheit ist das Unsichere – zumal ein dritter Wachmann von der „Organisati­on“(das ist der Arbeitgebe­r) hinbefohle­n wird.

Samuel Beckett ging es in „Warten auf Godot“um den Klang. Ob Godot nun als Gott oder als Schuh interpreti­ert wird, war ihm letztlich egal. Der Klang von „Der Wachmann“ist nicht so minimalist­isch. Aber ebenfalls fundamenta­l.

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Peter Terrin, 49, aus Westflande­rn
 ??  ?? Peter Terrin: „Der Wachmann“Übersetzt von Rainer Kersten. Liebeskind Verlag. 256 Seiten. 20,60 Euro.
Peter Terrin: „Der Wachmann“Übersetzt von Rainer Kersten. Liebeskind Verlag. 256 Seiten. 20,60 Euro.

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