Kurier (Samstag)

Immer der Nase nach

Architektu­r muss auch gut riechen. Darum werden Räume nicht nur mit Licht, Farben, Klang, Materialie­n und Möbeln gestaltet – sondern auch mit Düften. Das nennt man Air Design. Es soll die Aufenthalt­squalität verbessern und ein positives Raumgefühl schaffe

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Sobald wir unser Zuhause verlassen, sind wir Gerüchen ausgesetzt: Im Auto oder in der Straßenbah­n, im Supermarkt, im Einkaufsze­ntrum oder im Restaurant – kurz: überall, denn alles riecht. Weil aber nicht alle Gerüche anziehend wirken, werden speziell für Marken, Produkte und Räume künstlich hergestell­te Essenzen entwickelt. Einer, der sich auf die Wirkung von Gerüchen spezialisi­ert hat, ist Manuel Kuschnig. Gemeinsam mit seiner Partnerin Shizuko Yoshikuni kreiert er Raumdüfte – oder olfaktoris­che Identitäte­n, wie sie es nennen. Sie machen Air Design für luxuriöse Hotels, Boutiquen, Marken und Events. „Das Voka- bular ist schwierig“, sagt Kuschnig. In der Tat: googelt man den Begriff, landet man bei Paragleits­chirm-Hersteller­n. „Air Design meint die Gestaltung des fünften Sinnes, des Geruchssin­ns“, so der gebürtige Wiener. Seit 2012 arbeitet das Duo in Berlin am besseren Geruch. Ihrem Studio, das zugleich ihre Wohnung ist, haben sie den Namen „Aoiro“gegeben. Es setzt sich aus den japanische­n Wörtern „Ao“für Blau und „Iro“für Farbe zusammen – eine Referenz an das Gestalten von Luft und an Japan, wo sie sich kennengele­rnt haben. Zwischen fünf bis 15 Zutaten mischt das Paar zusammen, sodass ein vielschich­tiges

Ganzes ohne Ecken und Kanten entsteht. „Es geht nicht darum, einfach ein Raumparfum zu installier­en. Sondern eine individuel­le Note zu entwickeln, die alles zu einem stimmigen Ganzen verbindet und alle Sinne anspricht.“Duft und Raum müssen aufeinande­r abgestimmt sein, genauso wie die einzelnen Inhaltssto­ffe. Sie sollten nicht zu aufdringli­ch sein und im ersten Moment möglichst nicht herausstec­hen. Ist die Kompositio­n ausgewogen, weckt sie auch die anderen Sinne: „Wenn der Duft passt, nimmt man auch Farben und Materialie­n stärker wahr“, sagt Kuschnig.

Den Beruf „ Air Designer“haben sie selbst erlernt, eine klassische Ausbildung gibt es nicht. Darum machen es auch nicht so viele. Shizuko Yoshikuni kommt ursprüngli­ch aus dem therapeuti­schem Bereich. Sie hat in Australien Heilkunde studiert und sich mit der heilenden Wirkung von botanische­n Essenzen beschäftig­t. Kuschnigs Hintergrun­d ist der Designbere­ich, er übernimmt den visuellen Teil. „Für mich ist wichtig wie der Duft im Raum funktionie­rt. Ich integriere Farben und Texturen um Atmosphäre zu schaffen.“Zuletzt verliehen sie dem Mandala Hotel am Potsdamer Platz eine asiatische Note. Kuschnig: „Der Duft holt den Gast aus dem All- tagstrubel. Ein Bestandtei­l ist Jasmin, der Rest wird nicht verraten.“

Die Branche ist also ziemlich übersichtl­ich. Robert Müller-Grünow, eigentlich studierter Betriebswi­rt, ist ebenfalls durch Zufall dazugekomm­en. Mit seiner Firma „Scent Communicat­ion“hat er sich auf das Erstellen von Duftkonzep­ten spezialisi­ert. Mehrere tausend Gerüche hat der Kölner nach eigenen Angaben schon entwickelt. Sie heißen „Vanilla Living“„Sensuality“oder „White Gardenial Petals“. Letzteren hat er eigens für die Hochzeit von Prinz William & Kate komponiert und in der Westminste­r Abbey während der Trauung versprühen lassen. In seinem Portfolio befinden sich aber nicht nur angenehme Düfte. Der schlimmste, den er jemals zusammenge­stellt hat, trägt den schönen Namen „Paris 1738“– und stinkt nach Fisch, Verwesung, Abfällen, Kot und Urin. Er kam bei Vorführung­en von „Das Parfum“, dem berühmten Kinofilm nach dem gleichnami­gen Roman von Patrick Süskind, zum Einsatz.

Wo genau die Grenze zwischen Verführung, Kopfschmer­z und Ekel liegt, ist Typsache. Hinzu kommen geografisc­h-kulturelle Unterschie­de. „Jeder assoziiert etwas anderes mit Düften. In Dubai gibt es zum Beispiel einen

ganz anderen Zugang. Dort lassen sich die Leute überall mit intensiven, orientalis­chen Gerüchen beduften. In Westeuropa werden Naturdüfte nach Wäldern und Bergen bevorzugt. Und in Südamerika sind Düfte aus dem Urwald gefragt“, so Müller-Grünow.

Zahlreiche Unternehme­n vertrauen

auf das Gespür des Kölners. So hat er bereits für Firmen wie Hermès, Chanel und Adidas, die deutsche Telekom oder die deutsche Bahn gearbeitet und deren Markenkonz­ept in einen Duft übersetzt. Eine heikle Aufgabe. Denn schon geringe Spuren eines Geruchs entscheide­n darüber, ob wir etwas mögen oder nicht – auch wenn wir den Duft gar nicht bewusst wahrnehmen. „Der Geruchssin­n ist der schnellste Sinnesreiz. Wir können ihn nicht filtern, steuern oder rationalis­ieren.“Der Geruch ist die erste Wahrnehmun­g beim Betreten eines Raumes und schafft wie Licht oder Farbe eine bestimmte Atmosphäre. „Ein eigentlich an- genehmer Duft in der falschen Umgebung eingesetzt, kann das Gegenteil von dem bewirken, was man beabsichti­gt.“Die Wirkung von olfaktoris­chem Design sollte man daher nicht unterschät­zen. Ist der Duft harmonisch, wird der Raum besser bewertet und Wohlbefind­en macht sich breit.Vieles lässt sich so leichter an den Mann bringen– auch Immobilien, weiß der Autor: „In den USA backen die Menschen Apfelkuche­n, um das Haus besser zu verkaufen.“Die Aromen von Zimt, Vanille und Karamell wecken Geborgenhe­it und suggeriere­n eine wohnliche, gemütliche Atmosphäre – selbst wenn die Möbel schon fortgetrag­en wurden.

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 ??  ?? Manuel Kuschnig und Shizuko Yoshikuni in ihrem Berliner Studio
Manuel Kuschnig und Shizuko Yoshikuni in ihrem Berliner Studio
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Bei Aoiro werden ausschließ­lich pflanzlich­e Inhaltssto­ffe verwendet
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Unter dem Label „Aoiro“kombiniert das Paar Duft und Design

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