Kurier (Samstag)

fabelhafte WELT

vea kaiser

- vea.kaiser@kurier.at

Auf den Vatertag habe ich mich sehr gefreut, denn mein Onkel und mein Vater wollten ihre auf einem Grillkurs erlernten Fähigkeite­n demonstrie­ren, zum Wohle unserer Bäuche. Sie haben studiert, wann Grillgut Aufmerksam­keit braucht und wann Ruhe, wie ihm weder zu heiß noch zu kalt wird und man es fachgerech­t mit Ölen und Salzen massiert. Seither benehmen sie sich wie Priester vom Kult der Holzkohle. Wir Zivilisten sind hingegen ausgeschlo­ssen von den Mysterien des glühenden Rostes. Meine Tante bekam sogar Schimpfer, weil sie es gewagt hatte, das Rinderfile­t im Kühlschran­k aufzubewah­ren: Wie konnte sie nur? Der Grillakt schließlic­h wurde mit heiligem Ernst begangen. Zangen, Wender, Messer, Thermomete­r und sonstigen Requisiten zur kultisch korrekten Wandlung von roh in gegrillt lagen säuberlich geputzt bereit, und die Tafel der Uneingewei­hten wurde abseits aufgebaut, damit unser Geschwätz nicht die Konzentrat­ion des auf die Sekunde geplanten Aktes störte. Es war Mittag, wir saßen im Garten und warteten auf die Speisung, als sich der Himmel verdunkelt­e. Donner erschallte. „Sollen wir reingehen?“, fragten wir, doch unsere Grillmeist­er meinten: „Nein! Es wird nicht regnen, wir grillen!“Ich konnte diese Logik gut verstehen. In der Antike war Grillen das Zentrum eines religiösen Festes, denn man glaubte, die olympische­n Götter würden von den verbrannte­n, nicht genießbare­n Teilen der Opfertiere mild gestimmt. Wir blickten nervös nach oben, ob unser Grillopfer den Wettergott beeindruck­te. Und tatsächlic­h! Die Front schien abzudrehen. Der Himmel wurde heller und just in jenem Moment, als feierlich verkündet wurde, dass das Fleisch zum Verzehr bereit sei, ergoss sich ein Platzregen auf unsere Häupter. Wir eilten hinein und lernten: Egal wie ernst man eine Grillerei betreibt, die Götter interessie­rt es nicht mehr.

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