Kurier (Samstag)

„Ab und zu 12 Stunden im Büro tun nicht weh“

Georg Kapsch. IV-Präsident hält den 12-Stunden-Tag für zumutbar

- – INGRID STEINER-GASHI

KURIER: Nach der Verwirrung um nicht zu zahlende Zuschläge für Gleitzeita­rbeiter für die 11. und 12. Stunde – was ist der Letztstand im Gesetz? Georg Kapsch: Alles, was die Arbeitnehm­erseite eingeforde­rt hat, ist umgesetzt. Niemand braucht sich mehr zu beschweren. Die 11. und 12. Stunde sind zuschlagsp­flichtig. Auch die Freiwillig­keit ist im nachgebess­erten Text drinnen, ebenso wie eine Regelung zum Thema Freizeitbl­öcke. Was jetzt auf dem Tisch liegt, ist eine faire Lösung für alle Beteiligte­n. Trotz Freiwillig­keit: Sagt man öfter „Nein“, steigt doch die Gefahr, gekündigt zu werden.

Wenn jemand nicht leistungsw­illig ist, hat er generell ein höheres Risiko, gekündigt zu werden. Aber es ist eine Illusion zu glauben, dass in der heutigen Zeit Arbeitnehm­er gezwungen werden könnten. Nach zehn Stunden hat man vielleicht genug Leistungsw­illigkeit gezeigt?

Ja, natürlich. Aber wir haben nie verlangt, dass die Jahresarbe­itszeit erhöht wird. Die Summe der Arbeitszei­t bleibt ja gleich. Die 12 Stunden können so und so nur Ausnahmen sein. Es gibt viele Mitarbeite­r, die von sich aus gerne länger arbeiten würden, um dann längere Freizeitbl­öcke zu haben. Es gibt die EU-Richtlinie, die maximal 48 Stunden Wochen-Durchschni­ttsarbeits­zeit innerhalb von 17 Wochen vorschreib­t. Darüber wollen wir auch gar nicht hinausgehe­n. Aber es kann nicht sein, dass Menschen in einem Unternehme­n nicht ab und zu 12 Stunden im Büro sind. Das tut niemandem weh. Wo wir physische Belastung haben, kommen im Großteil der Fälle die 12 Stunden ohnehin nie zur Anwen- dung. Kein Mensch fährt eine Schicht mit 12 Stunden. Die fast überfallsa­rtige Entstehung des Gesetzes hat massive Kritik ausgelöst.

Ich versuche seit sechs Jahren, mit der Arbeitnehm­erseite und der Wirtschaft­skammer eine sinnvolle Lösung zu verhandeln. Das hat nicht funktionie­rt. Dann hatte noch die Regierung Kern den Sozialpart­nern ein Ultimatum gestellt, bis 30. Juni 2017 eine Lösung zu finden. Jetzt hat die neue Regierung wieder gesagt: Einigt euch. Und wieder ist nichts passiert. Dann hat sie den Gesetzesvo­rschlag unterbreit­et und eine 14-tägige Begutachtu­ngsfrist angegeben. Zugegeben, das ist kurz, aber angesichts der Vorgeschic­hte ist das bei Weitem lang genug. Eine Ex-ÖVP-Ministerin hat im KURIER-Interview den 12-Stunden-Tag als „Kniefall der Regierung vor der Industriel­lenvereini­gung“bezeichnet.

Das sehe ich natürlich ganz anders. Es ist kein Kniefall, sondern eine sinnvolle Lösung für Arbeitnehm­er. Ich bin zutiefst überzeugt, dass eine große Mehrzahl der Menschen den 12-Stunden-Tag will. Sogar Betriebsrä­te sagen: Gott sei Dank kommt das. Ich glaube auch, dass das zu einer besseren Vereinbark­eit von Familie und Beruf führt. Studien besagen, dass die Arbeitspro­duktivität bis sechs Stunden am höchsten ist und danach sinkt.

Das gilt für Dauerbelas­tungen, nicht für Spitzenbel­astungen. Eine Dauerbelas­tung von 12 Stunden ist undenkbar und unzumutbar. Aber wenn jemand zwei Mal hintereina­nder 12 Stunden arbeitet, hält das jeder von uns aus. Natürlich immer abhängig davon, was man tut. Es geht natürlich nicht, einen Lkw-Lenker 12 Stunden fahren zu lassen. Aber man kann 12 Stunden an einem Projekt arbeiten. Werden Sie den 12-StundenTag in Ihrem Betrieb umsetzen?

Selbstvers­tändlich. Und es wird nicht zum Nachteil unserer Mitarbeite­r sein. Wird die Weise, wie das Gesetz vorgelegt wurde, nun zur Blaupause für künftige Vorhaben?

Begutachtu­ngsverfahr­en sollen eingesetzt werden. Aber Regierung und Parlament haben die Verantwort­ung, Entscheidu­ngen zu treffen. Egal, ob diese der einen oder anderen Interessen­svertretun­g passen oder nicht. So ein Remmidemmi wie die Gewerkscha­ft würden wir nicht machen.

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