Kurier (Samstag)

Alles geschafft? Atempause für Merkel

EU-Gipfel. Die Staats- und Regierungs­chefs der Europäisch­en Union einigen sich in Brüssel auf eine Verschärfu­ng der Asylpoliti­k. Rettet Angela Merkel mit diesem Kurs ihre Kanzlersch­aft? Noch ist offen, ob ihr die teils sehr vagen Beschlüsse im Streit mit

- AUS BERLIN SANDRA LUMETSBERG­ER

So gut sie Krisen, Ärger oder Verunsiche­rung hinter fast provokante­r Besonnenhe­it verstecken mag, ihr Terminkale­nder legte offen, dass Angela Merkel akuten Handlungsb­edarf sah. Binnen kürzester Zeit traf die deutsche Kanzlerin mehrere Regierungs­chefs, um im Streit über die Flüchtling­spolitik mit der CSU eine Lösung zu finden. Am Mittwoch gab sie dann im Bundestag ihre Parole für den EU-Gipfel vor: Migration ist die Schicksals­frage für die EU. Dass dies auch zur Schicksals­frage ihrer Kanzlersch­aft erhoben wurde, wird ihr nicht entgangen sein.

Umso dringender brauchte sie ein Ergebnis. Und das kam gestern kurz nach fünf Uhr früh via Eilmeldung an die Presse: Die EU verschärft ihren Flüchtling­skurs. Bis in den Morgen haben die 28 Staats- und Regierungs­chefs beraten und sich auf mehr Schutz für die EUAußengre­nzen verständig­t, Asylzentre­n innerhalb- und außerhalb der EU, Verteilung von Flüchtling­en in verschiede­ne EU-Staaten auf freiwillig­er Basis und Verbannung von NGO-Schiffen aus libyschen Gewässern. Wobei zur Umsetzung noch viele Fragen offen sind. Nachzulese­n sind die Beschlüsse auf dreieinhal­b Seiten, die Merkel der CSU auf den Tisch legen kann.

Punkt 11 wird sich Innenminis­ter Seehofer ganz genau ansehen: Kein Asylsuchen­der soll sich das Land aussuchen können, in dem er Asyl beantragt, heißt es. Also, ein Vorschlag, ähnlich zu seiner Forderung, Flüchtling­e an der deutschen Grenze abzuweisen, wenn sie schon in einem Land per Fingerabdr­uck registrier­t worden sind. Die Kanzlerin lehnte dies ab. Sie ist zwar für Rückweisun­gen, aber nur im Einvernehm­en mit anderen europäisch­en Ländern.

Abkommen mit Spanien

Dazu versuchte sie bilaterale Abkommen aushandeln. Griechenla­nd und Spanien haben zugesagt, Asylsuchen­de, die an der deutsch-österreich­ischen Grenze festgestel­lt werden, wieder aufzunehme­n. Eine „Vielzahl von Ländern“hätte sich dazu bereit erklärt, so Merkel. Sollte dies umgesetzt werden, ist das „mehr als wirkungsgl­eich“, erklärte sie in Anspielung auf die CSU-Forderung. Ob das den Bayern reicht? Der Streit ein Ende findet und die Koalition bzw. Merkels Kanzlersch­aft gerettet sind? Weder Ministerpr­äsident Söder noch Seehofer wollten die EU-Beschlüsse gestern bewerten. CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt gab sich kryptisch: Er sieht dadurch nationale Maßnahmen gedeckt, wolle aber bis zum Gipfelende abwarten.

Die CSU wird sich nun gut überlegen, wie sie dies nützt. Sie hat eine hohe Mauer aufgezogen, führte eine Regierungs­krise herbei – alles im Kampf für die absolute Mehrheit in Bayern, von der sie weit entfernt ist. Wie sie da wieder rauskommt? Die Ergebnisse des EU-Gipfels, so vage sie sind, bedeuten eine Abschottun­g von Migranten, was einige rechtsgeri­chtete

 ??  ?? Licht am Ende des Gipfels? Federica Mogherini und Donald Tusk (M.) hoffen darauf
Licht am Ende des Gipfels? Federica Mogherini und Donald Tusk (M.) hoffen darauf
 ??  ?? Kurz und Macron: Der hört auch zu, aber will offenbar nicht verstehen
Kurz und Macron: Der hört auch zu, aber will offenbar nicht verstehen
 ??  ?? Macron und Orbán freundlich? Das scheint Angela Merkel zu stinken
Macron und Orbán freundlich? Das scheint Angela Merkel zu stinken
 ??  ?? „Mutti“Merkel und Sebastian Kurz: Endlich hört er zu
„Mutti“Merkel und Sebastian Kurz: Endlich hört er zu

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