Kurier (Samstag)

Das Hoch klingt ab: Ein letzter Rock ’n’ Roll

WIFO und IHS: Wachstum ist noch stark, verliert aber an Tempo

- VON H. SILEITSCH-PARZER

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Die Herren Professore­n waren am Freitag in Tanzlaune: „Es werden gerade die letzten Töne eines Rock ’n’ Roll gespielt, das nächste Lied wird voraussich­tlich ein L’AmourHatsc­her sein“, sagte IHSChef Martin Kocher bei der Präsentati­on der Wirtschaft­sprognose für die Jahre 2018 und 2019. Für NichtWiene­r: Damit ist ein Lied mit eher gemäßigtem Tempo gemeint, das gerne zur sozialen Annäherung mittels Anschmiege­tanz genützt wird.

WIFO-Chef Christoph Badelt widersprac­h umgehend. Üblicherwe­ise erklinge der L’Amour-Hatscher erst um 4 Uhr Früh, die Wirtschaft sieht er eher auf einen „langsamen Walzer“zusteuern.

Etwas weniger blumig ausgedrück­t: Die österreich­ische Konjunktur dürfte ihren Höhepunkt mit Jahreswech­sel überschrit­ten haben. Für 2018 erwarten die Institute noch ein kräftiges Plus, danach soll es moderater (siehe Grafik) weitergehe­n. Der prognostiz­ierte Zuwachs 2019 wäre aber immer noch über den durchschni­ttlichen Nach-Krisen-Jahren.

Noch kein Handelskri­eg

Was gegenüber der MärzProgno­se gestiegen ist, sind freilich die Risiken. Bei den Verhandlun­gen mit Großbritan­nien sei ein „harter Brexit“, also ein EU-Austritt ohne ordentlich­e Lösung, zwar unwahrsche­inlich, aber nicht ausgeschlo­ssen, warnte Kocher. Der Abschottun­gskurs von US-Präsident Trump führt dazu, dass Unternehme­n bei Investitio­nen vor- sichtig werden. Dieser Stimmungsd­ämpfer sei am Ende sogar schädliche­r als die direkten Kosten der Zölle.Von einem Handelskri­eg wollen weder Kocher noch Badelt sprechen – die angedrohte­n Autozölle könnten aber der Startschus­s für ein solches Eskalation­sszenario sein.

Was Österreich­s Wirtschaft momentan hilft, ist die noch gute Konjunktur in Osteuropa. Deutschlan­d erhielt hingegen im ersten Quartal einen überrasche­nd kräftigen Dämpfer. Die österreich­ischen Ökonomen halten das aber für einen vorübergeh­enden Effekt – mitverursa­cht durch viele Streikund Krankensta­ndstage.

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Debatte ist „lächerlich“

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Apropos Streik: An sich würden beide Institutsc­hefs f lexiblere Arbeitszei­ten in Österreich begrüßen. Das WIFO schätzt, dass 2,5 Millionen Arbeitnehm­er vom Gesetz, das den 12-Stunden-Tag ermöglicht, potenziell betroffen wären – viele hätten aber ähnliche Vereinbaru­ngen schon auf Betriebseb­ene.

Positiv wertet Badelt, wenn damit der „österreich­ische Weg der geduldeten Illegalitä­t“eingedämmt wird. Allerdings hätten beide Ökonomen eine Sozialpart­nerLösung bevorzugt. Denn: „Die politische Diskussion arbeitet mit Übertreibu­ngen, die schon ans Lächerlich­e grenzen – auf beiden Seiten“, so Badelt. Das trage nicht zu konstrukti­ven Lösungen bei. Kocher ist überhaupt besorgt, wie eine große Pensionsre­form klappen sollte, wenn schon hier die Emotionen so hochkochen.

Erfreulich­es gibt es für den Finanzmini­ster: Die gute Konjunktur saniert das Budget auch ohne sein Zutun. Für 2019 geht sich laut den Prognosen ein Mini-Überschuss im Staatshaus­halt aus.

Der Familienbo­nus ist da einkalkuli­ert. Laut WIFO wird sich die Steuerentl­astung 2019 auf 790 Mio. Euro belaufen und über vier Jahre bei voller Ausschöpfu­ng 1,58 Mrd. Euro für die Privathaus­halte bringen. Das bedeutet eine Verschlech­terung des Budgetdefi­zits um 0,2 Prozentpun­kte. Für die Wirtschaft­sleistung (BIP) erwartet das WIFO dafür einen kurzfristi­gen Zusatzschu­b in ähnlicher Größenordn­ung (+0,15 Prozentpun­kte).

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Vom flotten Rock zum „L’AmourHatsc­her“: Das Wachstum der Wirtschaft bremst sich ein
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