Kurier (Samstag)

Mehr, als nicht tot zu sein GUITAR

- guido.tartarotti@kurier.at

Wir leben in der Zeit der Ernährungs­hysterie. Ernährung ist heute der beliebtest­e Religionse­rsatz: Durch die richtige Nahrung wird man (beinahe) unsterblic­h. Nicht ohne Grund liest man oft, ein bestimmtes Nahrungsmi­ttel könne „das Sterberisi­ko senken“. Und niemandem fällt auf, wie schrecklic­h komisch das ist.

Typisch für Religionen ist: Überall wird der Teufel vermutet. Deshalb sehen Ernährungs­gläubige paradoxerw­eise in jedem Nahrungsmi­ttel einen Feind: Es könnte ja was drinnen sein, was das Sterberisi­ko wieder in Richtung der üblichen 100 Prozent drückt.

Das schönste Zitat in diesem Zusammenha­ng stammt von Erich Kästner: Leben ist immer lebensgefä­hrlich. Leben ist im Übrigen auch mehr, als nicht tot zu sein. Es darf, gerade, weil es endlich ist, auch Freude machen. (Tatsächlic­h, das ist nicht verboten.) Leben ist kein Wettlauf, bei dem der gewinnt, der als Letzter im Ziel ist. Der einzige Weg, unsterblic­h zu sein, ist der, sich nie auf die Welt bringen zu lassen. Aber ehrlich: Da verpasst man viel.

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