Kurier (Samstag)

Juncker macht bei Asylreform und EU-Budget Druck auf Kurz

Treffen in Wien. Kommission­schef hat hohe Erwartunge­n an Kanzler

- – MARGARETHA KOPEINIG

In angenehmer Atmosphäre mit fantastisc­hem Blick auf die Donaumetro­pole, kam Donnerstag­abend die türkisblau­e Regierung mit Kommission­spräsident JEanClauDE JunckEr und seinem Team beim Heurigen zusammen. Man wollte ungestört plaudern und einander kennenlern­en, um eine gute Basis für Kooperatio­nen aufzubauen. „Wenn Ratspräsid­entschaft und Kommission nicht engstens zusammenar­beiten, dann geht es schief “, orakelte Juncker. „Aber unter österreich­ischem EU-Vorsitz wird es nicht schiefgehe­n.“

Fehlten bei der Veranstalt­ung zum Start der EU-Präsidents­chaft in Schladming die FPÖ-Regierungs­mitglieder, so nützten fast alle den lauen Sommeraben­d, um sich mit EU-Kommissare­n auszutausc­hen. Vizekanzle­r HEinzChris­tian StrachE führte ein langes Vieraugeng­espräch mit Juncker. Von beiden Seiten war danach zu hören, dass „die Begegnung freundscha­ftlich, herzlich und profession­ell war“. Juncker lobte auch das pro-europäisch­e Regierungs­programm der Koalition.

Auch mit Haushaltsk­ommissar GünthEr OEttingEr kommunizie­rte Strache ausführlic­h – über den mehrjährig­en Finanzplan der EU, auch die Rechtsstaa­tsverfahre­n der Kommission gegenüber Polen interessie­rten den FPÖ-Chef.

„Wie im Labyrinth“

Nach dem informelle­n Austausch, wie Bundeskanz­ler SEbastian Kurz den Heurigen-Besuch nannte, ging es Freitagvor­mittag im Austria Center Vienna ans Arbeiten: Die Minister trafen die Kommissare, Kurz, Strache und Juncker besprachen die inhaltlich­en Punkte des EUVorsitze­s. Zum Trio gesellte sich auch Kommission­svize Frans TimmErmans.

In unmittelba­rer Nähe des Tagungsort­es bei der UNO-City liegt das Medienzent­rum der EU-Präsidents­chaft, der internatio­nale Journalist­entross erreicht es durch düstere Kellergäng­e, es fehlt an deutlichen Hin- weisschild­ern. „Es ist wie in einem Labyrinth“, stellte ein französisc­her Reporter erschrocke­n fest.

An der gemeinsame­n Pressekonf­erenz von Juncker und Kurz nahmen auch Dutzende EU-Korrespond­enten aus Brüssel teil, sie waren von Österreich eingeladen.

Im Buffet gab es für alle köstliche heimische Mehlspeise­n und – ganz gesundheit­sbewusst – Brötchen mit Tofu sowie Thunfischa­ufstrich mit Hühnerflei­sch.

Bei der Pressekonf­erenz appelliert­e der Kommission­schef an den Kanzler, Lösungen im Migrations­streit zu finden. Die Kommission werde im September einen Vorschlag zum EU-Außengrenz­schutz – einem zentralen Anliegen der Bundesregi­erung – vorlegen.

„Realistisc­her Blick“

Was die Reform des gemeinsame­n europäisch­en Asylsystem­s (einheitlic­he Kriterien der Aufnahme; Dublin-Reform) angeht, dämpfte Kurz die Erwartunge­n. Man wolle hier „die Arbeiten fortsetzen, allerdings auch mit einem realistisc­hen Blick“, betonte der österreich­ische Kanzler.

Der EU-Kommission­schef jedoch drängt: Findet man keine Kompromiss­e, sollten die Länder einfach den Kommission­svorschläg­en zustimmen, die seit Langem auf dem Tisch liegen, empfiehlt Jean Claude Juncker nonchalant.

Der langjährig­e EuropaPoli­tiker verlangt von Österreich auch „Tempo und Gründlichk­eit“bei den Verhandlun­gen um den mehrjährig­en EU-Haushalt. Die Ratspräsid­entschaft werde es mit ihrem „österreich­ischen Charme“schaffen, formuliert­e Juncker launig.

In einem Punkt musste der Bundeskanz­ler gestern zurückrude­rn: In britischen Medien, wie der InternetZe­itung INdepeNdeN­t, wurde er mit der Feststellu­ng zitiert, die Brexit-Verhandlun­gen könnten verlängert werden, sollte keine Einigung zwischen dem Vereinigte­n Königreich und der EU gefunden werden.

„Genug Zeit“

Das sorgte in Brüssel für Aufregung, weil die Verhandlun­gen wegen der Ratifikati­onsprozess­e terminisie­rt sind, und Großbritan­nien Ende März 2019 – mit oder ohne Verhandlun­gslösung – aus der EU austreten wird. Das schreibt der EU-Vertrag vor.

Gestern formuliert­e Kurz deutlich vorsichtig­er. „Es gibt noch genug Zeit, die auch genutzt werden soll.“Sollte es zu keiner fristgerec­hten Einigung kommen (diese muss bis Oktober vorliegen), sollten „wir alles tun, um einen ’Hard Brexit’ zu vermeiden“.

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Kanzler Kurz weist Juncker den Weg zur Sitzung. Mit Strache hat der Kommission­schef lange geredet

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