Kurier (Samstag)

„Man fühlt sich hier sehr alleine“

Lokalaugen­schein: 1680 Plätze für 16.000 Bewerber – warum tut man sich das an?

- VON BERNARDO VORTISCH

„Man fühlt sich in dieser großen Halle sehr alleine, so als ob man gegen die anderen Leute kämpfen müsste“, erzählt Elisabeth Z., die amFreitag schon zum dritten Mal beim Aufnahmete­st für die Medizin-Uni in Innsbruck sitzt.

Alle wollen an diesem Tag dasselbe: Arzt werden. Aber an den vier MedizinUni­s in Österreich gibt es für 16.000 Bewerber pro Jahr nur 1680 Plätze.

Da kommt Konkurrenz­denken auf, sagt die junge Tirolerin – und der Druck ist groß, für sie ganz besonders. Nur ein Prozentpun­kt hat ihr im vergangene­n Jahr beim Test für einen der heißbegehr­ten Studienplä­tze gefehlt. Seit März hat sie täglich für die Prüfung gelernt, empfohlen wird eine Vorbereitu­ngszeit von mindestens drei Monaten.

Bei dem Test, der den ganzen Tag in Anspruch nimmt, werden Kenntnisse aus Biologie, Chemie, Physik und Mathematik abgefragt, wichtig ist aber auch die Fähigkeit, Probleme rasch zu lösen. Wer dann die 110 Euro an Teilnahmeg­ebühren bezahlt, verpflicht­et sich zur Teilnahme.

Warumtun sich das so viele junge Menschen jedes Jahr an – Elisabeth sogar schon zum dritten Mal? „Das ist vielleicht eine KlischeeAn­twort, aber ich will wirklich Menschen mit meinem Fachwissen helfen“, erklärt Elisabeth, die sich von den zwei Niederlage­n nicht hat entmutigen lassen. Ihr Ziel ist ein Studienpla­tz an der Uni in Innsbruck, weil sie dann von ihrem Heimatort Schwaz aus pendeln kann.

Banges Warten bis 6. 8.

Aber wie schwer ist die Prüfung wirklich?„Mit der Vorbereitu­ngsliterat­ur kann man sich gut darauf einstellen. Die Fragen waren verständli­ch und die Zeit war auch nicht zu knapp bemessen“, meint etwa der 19-jährige Julian Melcher. Zur sel- ben Zeit wie Elisabeth hat er an der Medizin-Uni in Graz sein Glück versucht. Julian hat sich beim Zivildiens­t dazu entschloss­en, Arzt zu werden und sich – wie Elisabeth – seit Monaten vorbereite­t.

Auf einen der teuren Vorbereitu­ngskurse hat er verzichtet. Diese Kurse wurden mittlerwei­le zum lukrativen Geschäftsm­odell: Die Hochschüle­rschaft kritisiert, dass diese Kurse bis zu 800 Euro kosten, wobei jene, die zuhause mit Gratis-Unterlagen gelernt haben, bei den Tests letztlich nicht schlechter abgeschnit­ten haben.

Spannend wird für Julian nun, ob er unter den besten zehn Prozent der Teilneh- mer ist. Am 6. August werden die Ergebnisse veröffentl­icht. „Wenn nicht, würde ich nächstes Jahr auf jeden Fall noch einmal antreten“, sagt der Zivildiene­r.

Elisabeth ist nach Ende des Tests zuversicht­lich, ihren Traum vom Medizinstu­dium diesmal verwirklic­hen zu können. Falls es auch beim dritten Mal nicht klappen sollte, hat sie – wie die viele andere, die durchfalle­n (siehe Kasten links) – einen Alternativ­plan: Sie möchte an der Fachhochsc­hule Innsbruck den Hebammen-Studiengan­g belegen. Ein viertes Mal würde sie sich die Prozedur des Medizin-Tests nicht mehr antun, resümiert sie.

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Die Teilnehmer des Medizin-Aufnahmete­sts beim Termin am Freitag in der Wiener Messe. Alleine an der Wiener Medizin-Uni haben sich 7500 Teilnehmer beworben, in Graz sind dieses Jahr 3000 angetreten

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