Putin bleibt dem Stadion fern Russland.
Im Viertelfinale gegen Kroatien glauben viele an den Aufstieg, der Staatspräsident schaut zu – im TV
Die Stimmung in Russland vor dieser WM war eine eher unterkühlte. Pessimismus beeinf lusste die Aussichten der nur spärlich an Fußball interessierten Nation. Kaum Emotionen, was sollten Trainer Tschertschessow und sein Team schon ausrichten, nach einer derart miserablen Vorbereitung, nach der zur Schau gestellten fußballerischen Ohnmacht? Vage Hoffnung und so manch höhnische Bemerkung beinhalteten die Kommentare.
Das Blatt hat sich gewendet. Grundlegend. Russland hat sich ins Viertelfinale gekämpft. Mit viel Dramatik, mit einer aufwühlenden Elfmeter-Entscheidung gegen die hoch favorisierten Spanier. „Ein Wunder“, wird behauptet. Eines, das kein Ende finden soll. Also glauben die Gastgeber daran, dass heute Samstag im Olympia-Stadion von Sotschi (20.00 Uhr, ORFeins, ARD, SRF2) gegen Kroatien der Zauber weitergehen wird. Das Halbfinale zu erreichen, wäre der größte WMCoup seit England 1966. Die damalige Sowjetunion verlor gegen Deutschland im Halbfinale 1:2.
Bärtig
„Wir haben verstanden, dass wir bis zum Finale kommen können. Und wir glauben ernsthaft daran“, sagt Mittelfeldspieler Alexander Golowin. Tatsächlich glauben laut Umfrage schon 50 Prozent der Russen an das Weiterkommen gegen die Kroaten, der Schnauzer von Trainer Tschertschessow wurde ein Symbol, zum „Schnauzbart der Hoffnung.“
Die Euphorie im Land scheint grenzenlos, doch einer scheint sich rauszuhalten: Staatspräsident Wladimir Putin. Er wird aller Voraussicht nach nicht auf der Ehrentribüne sitzen. Es bleibt also dabei, dass Putin erst einmal im Stadion war. Er eröffnete die WM am 14. Juni zum Auftakt gegen Saudi Arabien. Seither lässt er sich entschuldigen, der Fußball passe momentan nicht in seinen reichhaltigen Terminkalender. Telefonische gratulierte Putin nach dem Elferkrimi gegen Spanien.
Putin nützt die WM also nicht als seine Bühne. Verwunderlich für manche Beobachter. Doch vielleicht ist Putins Absenz auch politisches Kalkül. Er sorgt für das Wohl seines Landes, während sein Volk feiern darf. Der Präsident trifft sich mit dem US-Sicherheitsberater, dem südkoreanischen Präsidenten oder verhandelt in Weißrussland. Beim Viertelfinale gegen Kroatien wird Putin in Moskau vor dem Fernseher sitzen. Innenpolitikexperte Andrej Kolesnikow unterstellt, Putin wolle keine politische Verantwortung für einen möglichen sportlichen Misserfolg Russlands übernehmen, „aber er könnte zum Finale kommen, um als Gastgeber dieses kosmopolitischen Events aufzutreten.“
Aufgemuckt
Zumindest nach außen hin offenbart Kroatien ein doch überaus respektvolles Gefühl. „Gegen den Gastgeber in Sotschi wird es ein heißes Spiel. Keiner wird uns dort mögen. Das wird ein großer Test für uns“, sagt Trainer Zlatko Dalic.
Immerhin, 10.000 kroatische Fans werden sich im Stadion einfinden. Diese haben den Optimismus allerdings nicht verloren. Erinnerungen an die WM1998 in Frankreich werden wach. Damals wurde Kroatien Dritter, und zum Torschützenkönig kürte sich der heutige Verbandschef Davor Suker.
Der stärkste Kroate stand zuletzt bei dieser WM im Tor. Danijel Subasic hielt gegen die Dänen drei Elfer. Der Rekord des Portugiesen Ricardo von 2006 war damit eingestellt.