Wenn das „Fußgängerzonenorchester“in der Oper seine Wundertüte auspackt ...
Kritik. Eine Trompete oder ein Flügelhorn mit Kontrabass: Mehr braucht’s nicht für eine Stimmung irgendwo zwischen Late-Night-Tiefenentspannung und verträumter Morning Glory.
Till Brönner und sein kongenialer Partner Dieter Ilg aus der ersten Liga der deutschen Jazzszene haben das bei ihrem Album „Nightfall“und live am Donnerstag in der Staatsoper beim Jazz Fest Wien vorgeführt.
Die Aufnahmen, die im scharfen Kontrast stehen zu Brönners smarter SinatraHommage auf CD „The Good Life“(2016), machen die ganz große Grätsche zwischen Johann Sebastian Bachs „Air“über Standards wie „Body & Soul“oder „Nobody Else But Me“von Jerome Kern/Oscar Hammerstein III bis zu Britney Spears’ Hit „Scream & Shout“.
Los geht es live mit einer inspirierten Version von Leonard Cohens „A Thousand Kisses Deep“, dann kommt „Nightfall“wie eine nächtliche Meditation daher, ehe – vor dem Beatles-Klassiker „Eleanor Rigby“– mit Ornette Colemans „The Fifth Of Beethoven“auch freiere Töne ins Spiel kommen.
„Was Sie hier sehen, ist die kleinstmögliche Band der Welt. Man könnte sie auch unser Fußgängerzonenorchester nennen“, witzelte Brönner zwischendurch über die Mini-Besetzung, die sich im Weniger-ist-Mehr pudelwohl fühlt.
Da bezaubert ein Duo, leichtfüßig im Austausch, mit Reduktion auf das Wesentliche. Da stoßen zwei hochsensible Musiker beim Spiel ohne exzentrische Soli oder überflüssiges Geplänkel zur Quintessenz der Stücke vor und interpretieren sie mit viel Gefühl für Klang und Raum.
Ganz im Sinne von Miles Davis, der mit Fug und Recht erklärte: Die nicht gespielten Noten sind im Jazz mindestens so bedeutend wie die tatsächlich gespielten.