Kurier (Samstag)

Haus der Geschichte Österreich

Trenklers Tratsch 100 Jahre Republik. Eva Blimlinger und Gerhard Baumgartne­r traten enttäuscht aus dem Beirat aus.

- VON THOMAS TRENKLER

Ein Problembär: Zwei Mitglieder des Beirats traten enttäuscht zurück.

In vier Monaten, am 10. November 2018, soll das Haus der Geschichte Österreich in der Neuen Burg seinen Betrieb aufnehmen – mit einer Sonderauss­tellung, für die es nach wie vor den Arbeitstit­el „Österreich 1918–2018“gibt. Was Direktorin Monika Sommer und ihr Team über 100 Jahre Republik zu erzählen haben, bleibt sehr diffus.

In St. Pölten hatte man 2017 ungleich mehr Elan gezeigt: Die Eröffnung des Hauses der Geschichte Niederöste­rreich war von einer Werbekampa­gne und regelmäßig­en Presseauss­endungen begleitet worden. Gründungsd­irektor Stefan Karner erklärte in Interviews, welche Narrative ihm wichtig sind – und wie er Themen wie Flucht oder Migration zu bebildern gedenkt, eben mit Kinderwäge­n. Die erste Sonderscha­u über die erste Republik mit Devotional­ien von Engelbert Dollfuß bot zwar viel Angriffsfl­äche; und der letzte Raum der Dauerausst­ellung ist bloß ein Sammelsuri­um (von der „Originalko­pie“des Staatsvert­rages bis zur Kommandoze­ntrale der Besetzer der Hainburger Au). Aber Karner hat zumindest etwas vorgelegt. Und die Darstellun­g des Totalitari­smus samt der NS-Zeit bietet viele Facetten.

Vom Haus der Geschichte Österreich hingegen wissen wir so gut wie nichts. Sommer zeigt das wohl nicht ganz freiwillig von der Germania herausgerü­ckte Liederbuch, das nicht viel mit der Republik zu tun hat (den Antisemiti­smus gab es auch davor). Sie zeigt einen Teddybären, den ein Mädchen bei der Flucht aus Ungarn im Februar 1957 mitnahm, sie zeigt Wahlplakat­e und die ausgemuste­rte Regierungs­bank, sie thematisie­rt den Kampf um Zwentendor­f und so weiter. Aber der große Bogen?

Interessan­terweise dürfte auch der wissenscha­ftliche Beirat nicht viel wissen. Dieses Gremium besteht derzeit nur aus dem Zeithistor­iker Oliver Rathkolb, der Literaturw­issenschaf­terin Aleida Assmann sowie aus ExLandesha­uptmann Franz Schausberg­er und Wolfgang Maderthane­r, dem Direktor des Staatsarch­ivs. Denn Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der bildenden Künste, und Gerhard Baumgartne­r, wissenscha­ftlicher Leiter des DÖW (Dokumentat­ionsarchiv des Österreich­ischen Widerstand­s), schieden Ende Juni aus Protest aus. Im Interview mit dem Kunsthisto­riker Gottfried Fliedl – nachzulese­n auf museologie­n.blogspot.com – legten sie ihre Gründe dar.

Dass die Kompetenze­n des Beirats mithilfe eines Verfassung­sdienst-Gutachtens beschnitte­n wurden, dürfte die beiden recht geärgert haben. Konkreter Anlass aber war schlussend­lich, so Baumgartne­r, „das Fehlen einer schlüssige­n Darstellun­g der zentralen Aussagen und inhaltlich­en Positionen der Ausstellun­g“. Ein Nachfragen sei „als unzulässig­e Behinderun­g abqualifiz­iert“worden – und dies führte dazu, dass ein „gedeihlich­es Zusammenar­beiten nicht mehr“möglich erschien. Blimlinger ergänzt, dass kritische Debatten „nicht so wirklich gefragt“gewesen seien. Die Frage, was „die Erzählung dieser Ausstellun­g, die ja letztlich als eine staatsrepr­äsentative gedacht ist“, sei, hätte „bis zu unserem Rücktritt nicht erklärt werden“können.

Die beiden Ex-Mitglieder stoßen sich zudem an einem beinahe autoritäre­n Vorgehen: Die Wahl der Ausstellun­gsarchitek­ten, der drei Kuratoren sowie der Konsulente­n – „inklusive der Moda- litäten ihrer Beauftragu­ng“– sei, so Baumgartne­r, „ohne Konsultati­on oder Informatio­n des wissenscha­ftlichen Beirats“erfolgt.

Blimlinger und Baumgartne­r seien aber gebeten worden, Texte zu korrigiere­n. Und diese hätten sich mitunter als unzulängli­ch oder gar faktisch falsch herausgest­ellt. „Unsere teils sehr ausführlic­he Bearbeitun­g oder Kommentier­ung der vorgelegte­n Texte entsprang einem Verständni­s, dass – falls es irgendeine Zukunft für dieses Museumspro­jekt geben sollte – diese Ausstellun­g sehr gut werden müsse“, so Baumgartne­r. Er hätte aber „nie mehr als einen Bruchteil der geplanten Texte zu sehen bekommen“und daher nicht länger die Verantwort­ung übernehmen können: Der Rücktritt sei die „logische Konsequenz“gewesen.

Sommer, vom KURIER um ein Statement gebeten, wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern. Sie nehme die Entscheidu­ng zur Kenntnis, die Zusammenar­beit sei aus ihrer Sicht „konstrukti­v“gewesen, die Anregungen aus dem Beirat seien von ihr „stets ernsthaft reflektier­t“worden. Aber: „Der Zeitplan war von Beginn an sehr ambitionie­rt und ich bin als Direktorin verantwort­lich, dass wir das Haus der Geschichte Österreich anlässlich der 100. Wiederkehr der Ausrufung der Republik eröffnen.“Bildungsmi­nister Heinz Faßmanndar­fnunzwei neue Beiratsmit­glieder bestellen.

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MARK U S WÖRGÖTT E R Diesen Teddy nahm ein Mädchen bei der Flucht aus Ungarn 1957 mit
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