Kurier (Samstag)

Ein Bürgermeis­ter vertritt das Partyvolk

Braucht Wien einen „Nachtbürge­rmeister“wie in Zürich, London oder Amsterdam?

- VON BIRGIT SEISER UND MARCO WEISE

Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen? Wenn Sie das schon erlebt haben, kennen Sie die Bars, Clubs und Schanigärt­en, die Wien ausmachen. Nicht umsonst hat Rainhard Fendrich das Wiener Nachtleben einst besungen. In internatio­nalen Metropolen ist dieser Bereich längst wichtiger Bestandtei­l der Politik und fest in der Stadtverwa­ltung verankert. Während Städte wie Zürich, Köln und München viel über ihre Nachtwirts­chaft, deren Potenzial, aber auch Probleme wissen, – und dies mit laufenden Erhebungen belegen und analysiere­n – weiß Wien noch wenig über diesen Sektor.

Auf Fragen wie „Welche Umsätze werden in den Wiener Musikklubs, Beisln und Bars generiert?“und „Wie viele Arbeitsplä­tze (vom Türsteher über Barkeeper bis hin zur Putzfrau) werden in diesem Bereich geschaffen?“gibt es keine Antworten. Zum Vergleich: In Berlin sind es rund 8000 Personen, die mit dem Nachtleben ihr Geld verdienen. Es ist mehr als Party. Es ist Arbeitgebe­r, Standortun­d Wirtschaft­sfaktor. Daher wollte Markus Ornig, Wirtschaft­ssprecher der Wiener Neos, auch Licht ins Dunkel der Wiener Nacht bringen und fordert seit 2016 die Umsetzung einer Studie.

Diesbezügl­ich hat er in den vergangene­n zwei Jahren Initiative­n im Wiener Gemeindera­t und Landtag gestartet und Gespräche mit Entscheidu­ngsträgern im Bereich Tourismus, Wirtschaft und Szenekenne­rn geführt. Mit dem Ziel, den Istzustand zu erheben, kritisch zu hinterfrag­en und – im gegebenen Fall – positive Veränderun­gen herbeizufü­hren.

Teilerfolg

Ornigs beharrlich­es Nachfragen hat nun erste Früchte getragen: Die geforderte Studie zum Thema Nachtwirts­chaft wurde kürzlich im Wiener Gemeindera­t mit den Stimmen von SPÖ, Grüne und ÖVP beschlosse­n. Für die Szene sei das ein erster Erfolg, denn damit könne endlich herausgefu­nden werden, „welche Weichen gestellt gehören, damit dieser nicht zu unterschät­zende Wirtschaft­sfaktor gestärkt werden kann“, betont Ornig im KURIER-Interview. Dabei sollte die Stadtregie­rung auch über die Installati­on eines Verantwort­lichen in diesem Bereich nachdenken. Um sich diesen wohl nicht einfachen, weil von diversen Interessen geprägten Themenbere­ichen widmen zu können, haben Städte wie Amsterdam. London und Zürich eine Anlaufstel­le geschaffen, die sich um das Nachtleben kümmert. Diese wird meistens mit einem Augenzwink­ern als „Nachtbürge­rmeister“bezeichnet. Der Aufgabenbe­reich ist vielfältig und klar geregelt: Der Nachtbürge­rmeister nimmt die Vermittler­rolle zwischen Partyszene, Anrainern, Behörden und Politik ein. Dabei steht der Interessen­ausgleich aller Beteiligte­n durch Gespräche und individuel­le Lösungen bei Themen wie Lärmbeläst­igung, Sicherheit und Durchführu­ng einer Veranstalt­ung im Vordergrun­d.

Wäre so ein Nachtbürge­rmeister, wie er etwa in Amsterdam seit 2012 im Einsatz ist, auch in Wien sinnvoll? Der KURIER hat sich fünf Nächte lang ins Wiener Nachtleben gestürzt – in Begleitung von Politikern. Im Rahmen einer Beisltour wurden Vertreter aller Parteien, die im Landtag sitzen, aufgeforde­rt in ihrem Lieblingsl­okal ihre Gedanken zum Thema Nachtbürge­rmeister zu teilen. Ideen gab es dabei ebenso viele, wie Spritzer und Krügerl.

„Für uns ist die Idee ein Vorstoß, der den Geruch von Postenscha­cherei hat.“Michael Stumpf FPÖ

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