Kurier (Samstag)

Schlechter Stil

In die internatio­nale Politik sind peinliche MachoAllür­en eingezogen. Hoffentlic­h machen sie nicht Schule.

- MARTINA SALOMON eMail an: martina.salomon@kurier.at auf Facebook folgen: martina salomon

Ein bisschen funktionie­rt eine Politikfam­ilie wohl wie eine wirkliche Familie: Auf den verhaltens­originells­ten Verwandten wird immer am meisten Rücksicht genommen. Benimmt er sich erwartbar schlecht, hält man am besten die Luft an, um nicht den ganz großen Krach zu riskieren.

Und so hielt sich Theresa May nobel zurück, obwohl man Verständni­s dafür gehabt hätte, wenn die britische Premiermin­isterin dem amerikanis­chen Macho-Präsidente­n eine schallende verbale Watsche verabreich­t hätte. Im britischen Boulevardb­latt Sun zu sagen, dass der zurückgetr­etene Ex-Außenminis­ter Johnson (ein Trump-Bruder im Geiste bis hin zur Frisur) ein „großartige­r Premier“wäre, ist ein unglaublic­her Affront. Doch May kann sich – auch dank Brexit – keine ZollSpompa­nadeln ihres Partners (?) jenseits des Atlantiks leisten. Immerhin lobte Trump später ihre „fantastisc­he Arbeit“.

Vom Unterhaltu­ngsfaktor her ist er ein gefundenes journalist­isches Fressen (davon profitiere­n auch USMedien). Denn so etwas haben wir an der Spitze der (Noch-)Weltwirtsc­haftsmacht Nummer eins bis dato nicht gesehen. Absurderwe­ise ist Trump für die USA bisher nicht einmal von Nachteil gewesen. Der Wirtschaft­smotor brummt (während die neuen Handelsbar­rieren das europäisch­e Wirtschaft­swachstum bremsen werden), Autobauer verlegen ihre Werke in die USA, die Rüstungsin­dustrie freut sich auf neue Aufträge, die Deutschen geloben – wieder einmal – höhere Beiträge an die NATO, es herrscht Vollbeschä­ftigung in den USA. Und auch wenn amerikanis­che Unternehme­n die Politik Trumps zunehmend besorgt bewerten, glauben dennoch viele Amerikaner seine schlichte Botschaft: Bisher habe die Welt auf Amerika herumgetra­mpelt, das werde er nun beenden. Immerhin exportiere­n China und die EU mehr Waren in die USA als umgekehrt. Weil sie halt einfach billiger (China) und besser (Europa) als amerikanis­che Produkte sind.

Frauen, die Haltung bewahren

Die EU begegnet dem amerikanis­chen Bulldozer mit eher hilflosen (weil unhaltbare­n) Einigkeits-Beschwörun­gen. Am Freitag von den Franzosen im Finanzrat vorgebrach­t. Apropos Frankreich: Es ist interessan­t zu beobachten, wie man dort versucht, Angela Merkel die Vorrangste­llung in Europa abspenstig zu machen, ohne freilich die entspreche­nde wirtschaft­liche Basis zu haben. Staatspräs­ident Macron hielt kürzlich in Versailles (!) Hof, um dort à la Obama eine Grundsatzr­ede zu halten. Welche Frau würde sich derart bombastisc­h in Szene setzen?

Apropos Männer und Frauen: Würde man es tolerieren, wenn sich eine Frau gelegentli­ch so wie „Küsserköni­g“EU-Kommission­spräsident Juncker verhalten würde? Möglicherw­eise ist Emanzipati­on wirklich erst erreicht, wenn sich auch Frauen öffentlich danebenben­ehmen dürfen und nicht wie Theresa May Haltung bewahren müssen. Viel besser für die „Weltfamili­e“wäre aber, wenn schlechter Stil diverser „enfants terribles“keinen Erfolg hätte.

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