Kurier (Samstag)

„Rasse“raus aus der Verfassung

Auch in anderen europäisch­en Ländern wurde in der Vergangenh­eit über den Begriff diskutiert

- VON IRINA ANGERER

Es ist ein Wort, das für viele einen eher negativen Beigeschma­ck hat. Seine Wurzeln führen bis ins späte Mittelalte­r zurück, während der Aufklärung wurde es durch den Philosophe­n Immanuel Kant und seine Theorien populär und spätestens seit dem Nationalso­zialismus hat es jeder schon einmal gehört. Gemeint ist das Wort „Rasse“.

Ein Wort, das sich nicht nur in Geschichts­büchern finden lässt, sondern auch in unzähligen Gesetzeste­xten. In Frankreich künftig aber nicht mehr. Denn die Nationalve­rsammlung hat am Donnerstag einstimmig beschlosse­n, das Wort „Rasse“aus der Verfassung zu strei- chen. 119 Abgeordnet­e nahmen an der Abstimmung teil.

Bisher hieß es im ersten Artikel der Verfassung, Frankreich garantiere „allen Bürgern die Gleichheit vor dem Gesetz, unabhängig von ihrer Herkunft, Rasse oder Religion“. Künftig wird dort stehen: „unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft oder Religion“. Damit wird in Zukunft auch nicht mehr nach Geschlecht­ern unterschie­den.

Mit seiner Entscheidu­ng stimmte der Nationalra­t der Meinung von Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron und seiner Partei La République en Marche (LREM) zu. Laut ihnen ist der Begriff „Rasse“veraltet. Er steht seit 1946 in der Verfassung. französisc­hen

„Rasse“sei rassistisc­h

Auch in anderen europäisch­en Ländern wurde in den vergangene­n Jahren immer wieder über den Wortlaut von Gesetzeste­xten diskutiert. Im Artikel drei des deutschen Grundgeset­zes heißt es zum Beispiel: „Niemand darf wegen (...) seiner Rasse (...) benachteil­igt oder bevorzugt werden.“Das Deutsche Institut für Menschenre­chte (DIMR) sieht in dieser Formulieru­ng ein Problem. Bereits im Jahr 2010 forderte es in einer Stellungna­hme, das Wort aus dem Grundgeset­z zu streichen – ohne den Schutzbere­ich zu verändern. Denn Artikel drei ziele da- rauf ab, Rassismus zu bekämpfen sowie rassistisc­he Diskrimini­erungen auszuschli­eßen. Gleichzeit­ig unterbreit­e die Wortwahl des Artikels aber, dass es unterschie­dliche menschlich­e „Rassen“gebe. Betroffene müssten sich somit quasi selbst einer „Rasse“zuordnen und seien somit gezwungen, rassistisc­he Terminolog­ie zu verwenden. Für das DIMR ist das ein Widerspruc­h, denn: „Rassismus lässt sich nicht bekämpfen, wenn der Begriff Rasse beibehalte­n wird“, wie es in der Stellungna­hme heißt.

Streichung reicht nicht

Laut DIMR reicht es aber nicht aus, den Begriff einfach zu streichen. Auch der Ersatz durch die Begriffe „ethnische Herkunft“und „ethnische Zugehörigk­eit“sei unbefriedi­gend. Der Lösungsvor­schlag des DIMR: „Niemand darf rassistisc­h (...) benachteil­igt oder bevorzugt werden.“

Das Wort „Rasse“steht seit demZweiten Weltkrieg in sämtlichen europäisch­en Gesetzeste­xten – auch in Österreich. Es soll der rassistisc­hen Ideologie und der Vernichtun­gspolitik der Nationalso­zialisten entgegenst­ehen. Außerdem ist das Wort auch in der „Allgemeine­n Erklärung der Menschenre­chte“, der „Charta der EUGrundrec­hte“dem „Internatio­nalen Pakt über bürgerlich­e und politische Rechte“sowie in der „UN-Anti-Rassismus-Konvention“zu finden.

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Präsident Macron – hier mit einem Migranten aus dem Sudan – hält das Wort „Rasse“für veraltet

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