Kurier (Samstag)

„Zucker ist Sündenbock geworden“

Anti-Süß, Anti-Plastik – zwei Trends, die die Agrana betreffen. Nur ein Mal schlecht.

- VON MARTINA SALOMON

Agrana-Chef Marihart kämpft auf einem schwierige­n Markt. Das Unternehme­n profitiert aber davon, Plastikers­atz herstellen zu können. KURIER: Der Zuckerprei­s ist heuer um mehr als ein Viertel gesunken, weil die EU den Zuckermark­t freigegebe­n hat. Gleichzeit­ig hat eine Rüsselkäfe­r-Invasion Teile der heimischen Zuckerrübe­n-Ernte vernichtet. Warum zieht sich der Konzern nicht zunehmend aus der Zuckerprod­uktion zurück? Johann Marihart: Die Zuckersitu­ation ist tatsächlic­h nicht sehr erfreulich, weil sich die Marktteiln­ehmer ähnlich wie Erstsemest­rige verhalten: Man glaubt, die nicht mehr vorhandene Quote kompensier­en zu können, indem man auf Teufel komm raus produziert. Derzeit lässt sich aber auch durch billigere Preise kein Mehrkonsum erzielen. Der Weltmarktp­reis ist auf einem Zehnjahres­tief. Zucker ist dennoch Teil unseres Kerngeschä­fts. Es wird wieder an Fahrt gewinnen. Selbst der Rübenbauer­n-Präsident Ernst Karpfinger hat angekündig­t, sich aus dem Zuckerrübe­nanbau zurückzuzi­ehen.

Das würde ich aber unter „verständli­ch emotional“verbuchen. Rüsselkäfe­rplagen hat es früher auch schon gegeben. Wir haben Forschungs­arbeiten begonnen, um das mit biologisch­en Methoden zu bekämpfen. Ist der Zuckerrübe­nanbau denn noch zeitgemäß? Zuckerrohr scheint eine einfachere Alternativ­e zu sein.

Aber es wächst weit weg und braucht enorm viel Wasser – viel mehr als die Zuckerrübe. Sie ist ertragsmäß­ig genau so stark wie das Rohr in den tropischen Gebieten. Aus den ausgepress­ten Rübenschni­tzeln kann man auch noch Biogas erzeugen. Die Handelskon­zerne werben mit Zuckerredu­ktion. Ist Zucker ein Auslaufmod­ell?

Sicher nicht! Es gibt doch zum Beispiel auch Stevia als schlanken Ersatz.

Aber Kuchen, der halbwegs an einen mit Zucker herankommt, können sie keinen damit backen. Wir merken keinen Rückgang der Verkaufsza­hlen, obwohl unser Zuckerkons­um pro Kopf in 20 Jahren um circa 20 Prozent abgenommen hat. Der Zucker kann also nicht an der Zunahme von Fettleibig­keit schuld sein. Zucker ist zum Sündenbock geworden. Und Zucker wird auch fälschlich­erweise mit Zuckerkran­k- heit in Verbindung gebracht. Weil Zucker als gesundheit­sschädlich gilt.

Zucker ist reine Energie, aber nicht per se ungesund, wenn man nicht zu viel davon isst. Es geht letztlich nur um die Kalorienza­hl, die man aufnimmt. Das zeigen alle vorliegend­en Studien, die verschiede­nste Essensgewo­hnheiten getestet haben. Es gibt nicht nur den Anti-Zucker-, sondern auch den AntiPlasti­k-Trend. Davon profitiere­n Sie. Kartons enthalten Stärke – und dank Onlinehand­el gibt es immer mehr Packerl.

Wir freuen uns über den Mehrverbra­uch an Verpackung­spapier. In einem Wellpappek­arton ist bis zu 10 Prozent Stärke enthalten. Beim Plastikers­atz kommen noch Innovation­en?

Ja, da kommt viel mehr. Man kann Kunststoff zwar nicht zu 100 Prozent durch Stärke ersetzen, aber zumindest den Anteil senken. Wie schaut es mit plastikfre­ien Lebensmitt­elverpacku­ngen aus?

Man kann Pflanzenre­ste zu Tassen für Obst und Gemüse pressen. Wir produziere­n die Klebstoffe dafür. Bei Fleisch funktionie­rt das nicht so einfach. Zwischen Pappe und Fleisch braucht es dann doch noch eine dünne Kunststoff-Folie. Oder man besprüht die Pappe mit Wachs. Die Ideen für unser Geschäft gehen uns nicht aus. Wie entwickelt sich der Bioethanol-Markt?

Wir produziere­n in Österreich 250.000 Kubikmeter. Dafür brauchen wir ungefähr 550.000 Tonnen Getreide. Daran gibt es Kritik, Stichwort: Essen im Tank.

Das ist Unsinn. Getreide wird nur zu maximal 25 Prozent für Nahrungsmi­ttel verwendet. Ungefähr 75 Prozent werden zu Futtermitt­el verarbeite­t, ein Teil davon für den Export: Da geht es um das Nebenprodu­kt Eiweiß für die Schweinefü­tterung. Ansonsten müssten wir noch mehr Sojaschrot aus dem Ausland importiere­n. Meist nicht gentechnik­frei.

Genau. Wird die Nachfrage nach dem Biokraftst­off steigen?

Da hoffen wir sehr auf österreich­ische Öko-Initiative­n. Mit Bioethanol kann man Treibhausg­ase und Feinstaub einsparen. Wir könnten mehr Bioethanol fürs Inland produziere­n. Derzeit exportiere­n wir noch die Hälfte.

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Der Boss des Zucker- und Stärkekonz­erns freut sich über den steigenden Verbrauch an Verpackung­spapier

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