Vom Körper zum Fremd-Körper und wieder retour
Kritik.
Mit Dave St-Pierres außergewöhnlicher Soloperformance „Néant/Void“wurde das diesjährige ImPulsTanzFestival am Donnerstag im Odeon eröffnet.
Wie gewohnt herrscht reger Andrang, findet sich viel junges Publikum ein, und Mineralwasserflaschen werden vor der zweistündigen Aufführung verteilt, um die Schwüle im Odeon erträglicher zu machen.
Aber dann doch eine Überraschung: Veronica Kaup-Hasler ist die erste Stadträtin seit 37 Jahren, die das Festival eröffnet. Gekonnt geht sie auf den bereits agierenden Dave St-Pierre ein und lobt Intendant Karl Regensburger insbesondere für seinen Mut zum Risiko und für viele Uraufführungen.
Erstaufführung
„Néant/Void“ist eine österreichische Erstaufführung und die erste größere, 2017 entstandene Arbeit des be- kannten kanadischen Performers nach einer Lungentransplantation. Obwohl der Künstler den Abend allein gestaltet, treten diesmal doch zwei Kunstfiguren auf, die er mit ganzer Körperkraft gestaltet.
Zu Beginn ist es der bekannte St-Pierre, nackt und mit blonder Perücke in einem durchsichtigen Kleidersack steckend, der mit einer Piepsstimme noch mehr als in seinen früheren Stücken den Kontakt zum Publikum sucht, dabei gekonnt Grenzen zwischen der Bühne und dem Zuschauerraum durchbricht. Das Publikum greift auch in seine Aktionen mit Plastikobjekten wie riesige Penisse, Puppen und Rehe ein. Zynisch kommentiert er Stücke von Pina Bausch, Jan Fabre und besonders Marina Abramovics legendäre „The Art is Present“-Aktion, relativiert seine Kritik aber im Verlauf des Abends. Da tritt der andere Dave St-Pierre auf, der für Schnittstellen zur bil- denden Kunst bekannt ist. Fast zu kurz fallen die Szenen aus, in denen er wie Phönix aus dem Trockeneis steigt und aus einem Nichts wieder zurück zu seinem Körper findet. Dieser wird zu einer Projektionsfläche verfremdet und erscheint dann als leblose Skulptur. Vom Körper zum Fremd-Körper und wieder retour ist Performancekunst vom Feinsten und beschert ImPulsTanz einen gelungenen Beginn.