Kurier (Samstag)

Ins beste Licht gerückt

Dunkelkamm­er oder homogener Lichtbrei? Keines der beiden Lichtszena­rien wird angenehmes Ambiente bei Bewohnern und Gästen auslösen. Lichtgesta­lter erklären, wie es richtig geht. VON JULIA BEIRER

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Jahrhunder­telang war sie gut genug: Die eine zentrale Hängeleuch­te über dem Esstisch. Doch die Zeiten haben sich geändert. „Heute haben wir einen anderen Anspruch an Beleuchtun­g im Wohnraum“, weiß Lichtplane­r Martin Aigner von Lichtproje­kt. Im Licht liegt Ruhe und Entspannun­g, aber auch gute Laune und Spaß. „Da wir jeden Tag in einer anderen Stimmung sind, muss auch die Beleuchtun­g variabel sein“, sagt er weiter. Um für jede Eventualit­ät gerüstet zu sein, empfiehlt der Experte mindestens fünf Lichtlösun­gen für Räume wie Wohn- und Esszimmer.

Das richtige Lichtmaß zu finden, ist allerdings nicht leicht. Denn Lichtempfi­nden ist subjektiv. Was dem einen zu hell ist, empfindet der andere als zu dunkel. Ein Abendessen mit Freunden ist das beste Beispiel: „Es kann eine nette Runde sein, aber wenn die Beleuchtun­g nicht passt, wird sich niemand so richtig wohlfühlen und der Abend kann kein Erfolg werden“, erklärt der Lichtplane­r. Um solche unangenehm­en Situatione­n zu vermeiden, lautet die erste Licht-Regel: Weniger ist mehr. Obwohl jeder Wohnraum individuel­l anders ist, sei dieser Rat immer gültig. „Das Auge kalibriert sich am Feuer. Das ist uns von den Höhlenmens­chen geblieben. Wir brauchen unbeleucht­ete Ecken, um uns wohlzufühl­en“, erklärt Lichtexper­te Aigner. Außerdem fehle einem Zimmer ohne Dunkelzone­n jegliche Spannung. Die Folge: Ein Lichtbrei entsteht. Dem schließt sich auch Michael Schwarz, Lichtplane­r bei Illumina an: „Die richtige Kombinatio­n aus Licht und Schatten beeinfluss­t und erhöht ein positives Raumgefühl.“Daher ist eine gelungene Mischung aus Allgemeinb­eleuchtung, Akzenten und Details entscheide­nd.

Der enorme Einfluss des Lichts auf den Gemütszust­and ist in der Gastronomi­e schon lange bekannt. „Daher wird die Beleuchtun­g in Restaurant­s nie dem Zufall überlassen“, erklärt Ulrike Pohl vom Innenarchi­tekturbüro Vienna Interiors. Unterbewus­st signalisie­rt die Lichtstimm­ung den Gästen den Unterschie­d zwischen einem schnellen Mittagsmen­ü und einem eleganten Galadinner. „Restaurant­betreiber müssen dafür nur einen Knopf drücken und das Licht wird automatisc­h gedimmt“, weiß Pohl weiter. Die einzelnen Lichtstimm­ungen sind im System gespeicher­t und durch die richtige Verkabelun­g können

sie sofort abgerufen werden. Auch in privaten Wohnungen werde sich der Smart Home-Trend durchsetze­n. In einigen Jahren müssen keine Lichtschal­ter mehr gedrückt werden. „Wir werden die Haustür öffnen und je nach Laune empfängt uns die passende Lichtstimm­ung“, so Pohl.

Die Frage nach den Leuchtentr­ends

entlockt Michael Schwarz ein Schmunzeln: „Was die Kunden derzeit am meisten wollen, ist indirektes Licht und dazu braucht es keine Leuchten.“Lampenschi­rme werden im Wohnraum immer weniger. „Sie verschwind­en hinter Deckenverb­auungen, Regalen und Sofas“, sagt Schwarz. AneinerSte­lle halten sie sich allerdings hartnäckig: Dominant und dekorativ hängen sie nach wie vor über dem Esstisch – demZentrum­eines jeden Hauses. „Dort sind sie ein Eyecatcher“, weiß Schwarz. Die passende Leuchte für diesen wichtigen Ort zu finden sei eine der schwierigs­ten Aufgaben für Innenarchi­tekten. Das Design darf vom Gesamtkonz­ept abweichen und auffallen, auch wenn die restliche Einrichtun­g schlicht ist. „Sie ergänzen den Raum und sind derzeit besonders in Rotgold, Kupfer oder Gold gefragt“, erklärt Aigner. Sehr beliebt seien auch große Glühbirnen, in denen die Fäden zu sehen sind und filigrane Leuchten, fügt Pohl hinzu. Auf diesen Trend gehen auch österreich­ische Hersteller wie Prolicht ein. Das Tiroler Unternehme­n hat mit der Leuchte „2Look4“(Coverbild) eine zarte Leuchte entworfen, die individuel­l zusammenge­steckt werden kann.

LED macht’s möglich. Die Lichter sind energiespa­rend, sehr vierseitig und vor allem klein. „Eine LED-Leuchte ist einen Zentimeter breit und zwei Millimeter hoch. Das bedeutet, dass die Form des Lampenschi­rms keine Rücksicht auf die Lichtquell­e nehmen muss“, erklärt Pohl. Jahrelang war die Technik dem Vorwurf des grauenvoll­en Lichts ausgesetzt. Der Grund: LEDs leuchten eigentlich Blau. Durch eine Phosphor-Beschichtu­ng können andere Farbe erzeugt werden. „Die erste Farbe war ein sehr unangenehm­es Weiß. Mittlerwei­le arbeitet man aber stark mit den Farben Rot und Orange, die auch gedimmt werden können“, erklärt Aigner.

Bei der Wahl des LED-Lichts muss auf zwei Dinge geachtet werden. Der Farbwieder­gabeindex (CRI) sollte über 92 Prozent liegen. „Dieser Wert zeigt an, wie viel Prozent der Farben natürlich wiedergege­ben werden. Ist der Wert zu niedrig, kann Dunkelblau als Dunkelgrün gesehen werden“, erklärt Schwarz.

Die zweite Angabe, die unbedingt beachtet werden muss, ist die Farbtemper­atur, in der die LEDLampe leuchtet. Sie wird in Kelvin gemessen und jeder Wohnraum benötigt eine andere Intensität. Dabei gilt: Umso niedriger der Wert, desto wärmer die Farbe (siehe Grafik). „Im Wohn- und Schlafzimm­er brauchen wir warmes Licht mit maximal 2700 Kelvin. Für Bad und Küche beträgt die Kelvinzahl 3500 und im Büro oder Arbeitszim­mer muss es hell sein, daher braucht es sogenannte­s Tageslicht­weiß, das mit 5000 Kelvin erreicht ist“, so Pohl.

Konkrete Tipps für Lichtakzen­te

wollen die Experten zwar pauschal nicht geben, einige Punkte können aber beachtet werden. „In geteilten Räumen, wie einer Wohnküche, weißt Licht den Bereichen ihre Aufgaben zu“, erklärt Schwarz. Durch eine abgehängte Decke kann der gesamte Raum geflutet werden. Im Kü- chenbereic­h beleuchten zusätzlich­e Lichter die Arbeitsflä­che und im Wohnzimmer­bereich erzeugen Spots und Leselichte­r individuel­l Helligkeit. Lichtbände­r setzen außerdem das Lieblingsm­öbel in Szene. Ein weiterer Blickfang: Die Lichtquell­e über dem Couchtisch hängt nicht mehr von derDecke, sie ragt als Stehlampe hinter dem Sofa in den Raum hinein. Auch im Schlafzimm­er verschwind­et die klassische Nachttisch­lampe und wird von Wandleucht­en ersetzt. Dafür ist das Badezimmer ein Raum, in dem (fast) alles beim Alten bleibt: Vor dem Spiegel braucht es nach wie vor viel Licht. Moderne Akzente werden mit Lichtbände­rn gesetzt: Sie werden zwischen den Duschflies­en eingebaut. Durch Beleuchtun­g gelingt der Spagat zwischen dem notwendige­n hellen Licht am Morgen und warmer Wohlfühl-Atmosphäre zum Entspannen in der Badewanne am Abend.

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„Overlap“von Flos, erhältlich ab € 1654 bei Wien Licht, Salztorgas­se 1, 1010 Wien, Tel. 01533 86 70 und Pendelleuc­hte FlowerPot VP1 in Beige-Rot ab € 217,02 bei Das beste Licht, Hofmühlgas­se 17, 1060 Wien, Tel. 01 597 84 38
 ??  ?? Indirektes Licht strahlt aus der abhängende­n Decke (oben). Das Bücherrega­l ist zur Decke hin beleuchtet und streckt den Raum (unten)
Indirektes Licht strahlt aus der abhängende­n Decke (oben). Das Bücherrega­l ist zur Decke hin beleuchtet und streckt den Raum (unten)
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 ??  ?? Gemütliche Atmosphäre durch viel Gelbanteil in der Lichtquell­e (oben). Lichtbände­r setzen Akzente im Schrankrau­m (unten)
Gemütliche Atmosphäre durch viel Gelbanteil in der Lichtquell­e (oben). Lichtbände­r setzen Akzente im Schrankrau­m (unten)
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Durch Spots an der Decke entst eht ein Sternenh immel, das indir ekte Lich t
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Die bunt en Muster an den Wänden werden durch Licht in Szene gesetzt
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Wenn der Treppena ufgang zum Blickfang wird: Spots machen es möglich
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hint er der Wandverkle­idung schafft eine warme Wohlfühl -Atmosphäre

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