Kurier (Samstag)

Kopfbälle: Gefahr fürs Gehirn

Gehirnersc­hütterunge­n werden im Amateurspo­rt wenig beachtet.

- VON UWE MAUCH

Eine Szene, die sich an jedem Wochenende auf Österreich­s Fußballplä­tzen wiederholt: ein hoher Ball, zwei Spieler springen in die Höhe, krachen mit den Köpfen zusammen und liegen danach benommen auf dem Rasen. Ebenso unlustig: der Ellbogen des Real-Madrid-Verteidige­rs Sergio Ramos im Gesicht des Liverpool-Keepers Loris Karius im ChampionsL­eague-Finale, der den Spielverla­uf beeinfluss­t hat.

Warnung

Die Wiener Neuropsych­ologin Sylvia Heigl warnt schon seit Jahren vor den durchaus massiven Folgen dieser Zusammenst­öße: „Durch die Erschütter­ung kann die Energiever­sorgung der Nervenzell­en im Gehirn gestört werden.“Als aktives Mitglied der im deutschspr­achigen Raum aktiven Gesellscha­ft für SportNeuro­psychologi­e bemüht sich Heigl um mehr Sensibilit­ät bei Sportlern und ihren Betreuern. Aus gutem Grund: „Eine Gehirnersc­hütterung kann je nach Ausmaß zu einer kurzen oder manchmal auch länger andauernde­n Funktionss­törung im Gehirn führen.“

Dank der Aufklärung­sarbeit der Neuropsych­ologen werden Fußballer bei Weltmeiste­rschaften ebenso wie in den Profiligen im Vergleich zu früher ganz gut betreut, attestiert Heigl. Rela- tiv gut sei auch die Versorgung­ssituation der Spitzenath­leten in anderen Sportarten wie American Football, Eishockey, Boxen, Handball, Rad-, Motorrad- oder Skifahren. „Dennoch gibt es speziell in der Prävention und in der Vernetzung der einzelnen Betreuer noch viel zu tun.“

Weit weniger gut steht es für Amateur- und Hobbysport­ler, so Heigl. Dort fehle es zwangsläuf­ig an ausreichen­d geschulten Mitspieler­n und Betreuern. Oft genug tun Verletzte einfach weiter, was fatale Folgen haben kann: „Ihr Verletzung­srisiko ist nach dem Zusammenpr­all deutlich höher. Eine Nichtbehan­dlung kann auch zu beharrlich­en traumatisc­hen Beschwerde­n und psychische­n Störungen führen.“

Die Expertin rät in jedem Fall zur Vorsicht: „Lieber ein Spiel früher beenden als eine gesamte Saison, lie- ber einmal umsonst ins Krankenhau­s fahren und ein Spiel länger pausieren als ein Leben lang an den Folgen des Traumas leiden müssen.“

Für Athleten und Betreuer gibt es inzwischen eine eigene Checkliste. Hier die am häufigsten festzustel­lenden Symptome: – Körperlich­e: Schmerzen in Kopf undNacken, Schwindela­nfälle sowie Gleichgewi­chtsstörun­gen. – Kognitive: verlangsam­te Reaktionen, Desorienti­erung sowie Seh- und Konzentrat­ionsstörun­gen. – Emotionale: niedrigere Schwellen für Reizbarkei­t, Apathie und Depression.

Im weiteren Verlauf der Verletzung ist öfters auch er-

„Lieber ein Spiel früher beenden als eine gesamte Saison.“Sylvia Heigl Neuropsych­ologin

höhter Schlaf bedarf festzustel­len. Weiters wichtig: „Die klinischen Symptome können sich in den ersten 24 bis 48 Stunden nach der Gehirnersc­hütterung noch verändern.“

Das Problem für die Diagnostik beschreibt Heigl so: „Gehirnersc­hütterunge­n werden häufig bagatellis­iert, da in der Regel bei computerto­mografisch­en Untersuchu­ngen oder Magnetreso­nanz strukturel­le Veränderun­gen nicht zwingend erkennbar sind.“

Ernsthafte Verletzung

Dass es sich bei einer Gehirnersc­hütterung um eine ernsthafte Verletzung handelt, beweist auch die Tatsache, dass sie in der Medizin zum Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades gezählt wird. Als leichteste Form zwar, aber doch als ein Trauma.

Und wie wirkt sich das permanente Kopfballsp­iel auf die Gehirnzell­en der Kicker aus? Neuropsych­ologin Heigl erklärt zu dieser auch von der Wissenscha­ft viel diskutiert­en Frage: „Laut Studien gibt es Hinweise, dass häufige Kopfbälle – auch wenn zunächst symptomfre­i – zu Mikroverle­tzungen des Gehirns führen können.“

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Dachschade­n? Loris Karius, benommen nach einem Zusammenst­oß im Champions League Final
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