Lostag für Geraint Thomas
Der Gesamtführende überstand die letzten Berge in Gelb / Heute Zeitfahren
Um vom südwestfranzösischen Wallfahrtsort Lourdes nach Laruns zu fahren, kann man das Auto nehmen und sich 50,5 Kilometer lang die Pyrenäen anschauen. Oder man nimmt das Rad und fährt die Tourde-France-Etappe vom Freitag: 200,5 Kilometer, sechs Bergwertungen, darunter zwei der höchsten und zwei der zweithöchsten Kategorie, 4700 Meter Höhendifferenz.
Die drittletzte Etappe des bedeutendsten Radrennens der Welt verlangte den Kandidaten auf die Nachfolge des britischen Titelverteidigers Christopher Froome noch einmal alles ab. Und um dem Ganzen etwas Würze zu geben, setzte sich gleich eine Fluchtgruppe ab, initiiert von Staatsmeister Lukas Pöstlberger (Bora-hansgrohe) und den Franzosen Damien Gaudin (Direct Energie) und Silvan Dillier (AG2R). Bis zum ersten großen Anstieg war die Gruppe auf 18 Herrschaften um den französischen Bergtrikotträger Julian Alaphilippe (Quick-Step) angewachsen, das Hauptfeld mit den Kandidaten auf den Gesamtsieg sparte sich die Kräfte auf und fuhr relativ gemütlich in Richtung des 1490 Meter hohen Col d’Aspin.
Dort war Alaphilippe als Erster, und mit den zehn Punkten gewann er vorzeitig die Bergwertung. Lukas Pöstlberger ließ sich danach zurückfallen, um als einer von drei Helfern Peter Sagan über die Berge zu schleppen, und auf der 17 Kilometer langen Klettertour zum Col du Tourmalet (2115 m) reduzierte sich die Spitzengruppe weiter. Die 20 Punkte auf dem legendären Pass holte sich Alaphilippe, womit er seine vierte Wertungder Hors Catégorie bei der heurigen Tour gewonnen hat – neue Allzeit-Bestmarke. Und damit hatte Alaphilippe dann auch genug gesehen, er ließ den Tag ruhig ausklingen.
Hektisch wurde es dafür in der Gruppe mit den Besten imGesamtklassement um den Waliser Geraint Thomas im Anstieg zum Col d’Aubisque (1709 m). Sky-Teamkollege Froome konnte nach einer Attacke des Slowenen Primoz Roglic nicht mehr folgen und rutschte im virtuellen Klassement von dritten auf den vierten Rang hinter Roglic zurück.
Bora-hansgrohes Pole Rafal Majka sicherte sich die Bergwertung, in der nebelverhangenen 20 Kilometer langen Abfahrt ins Ziel kehrte Froome zwar wieder in die Gruppe der Besten zurück – doch Roglics nächste Attacke brachte dem SkisprungJuniorenweltmeister von 2007 den Tagessieg und wirklich den Sprung auf Platz drei.
Letzte Chance
Am Samstag muss sich Geraint Thomas ein letztes Mal zur Wehr setzen: Das Einzelzeitfahren von Saint-Pée-surNivelle nach Espelette ist 31 Kilometer lang und die letzte Chance, um den Führenden aus dem Gelben Trikot zu fahren. Der zweitplatzierte Weltmeister und Olympiasieger Tom Dumoulin hat 1:49 Minuten Rückstand, die der Niederländer kaum auf den Briten gutmachen kann, zu stark war Thomas in den letzten Prüfungen gegen die Uhr.
Am Sonntag folgt der Schlussakt mit der 116 Kilometer langen Friedensetappe von Houilles auf die Pariser Champs-Élysées, wo der Erstplatzierte traditionell nicht mehr angegriffen wird. Dafür könnte sich der slowakische Dreifach-Weltmeister Peter Sagan seinen Traum vom Sprint-Triumph vor dem Arc de Triomphe erfüllen. Die Frage ist, wie weit sich der Mann im Grünen Trikot von den Folgen seines Sturzes am Mittwoch erholen kann: Am Freitag „erlebte er den härtesten Tag seines Radsport-Lebens“, wie Patxi Vila, der Teamchef von Borahansgrohe, erklärte.