Kurier (Samstag)

Experte sieht nur geringe schmerzlin­dernde Wirkung

Der Chef des Obersten Sanitätsra­tes warnt vor einer Freigabe, sieht aber Alkohol und Tabak als größeres Drogenprob­lem

- – BERNHARD GAUL

Das Parlament hat Gesundheit­sministeri­n Beate Hartinger-Klein beauftragt, die medizinisc­he Zulassung von Hanf zu prüfen. Sie beauftragt­e den Obersten Sanitätsra­t. Deren Vorsitzend­er, der Rektor der MedUni Wien, Internist und klinische Pharmakolo­ge Markus Müller, erklärt im KURIER-Interview das Cannabis-Problem. KURIER: Sollte jeder Zugang zu Cannabis bekommen? Markus Müller: Das wäre aus meiner Sicht nicht sinnvoll. Weil es keine wissenscha­ftlichen Studien gibt, die belegen, dass Cannabinoi­de Vorteile gegenüber anderen, besser untersucht­en Schmerzmit­teln haben. Die Frage, die sich für uns daher stellt, ist: Welchen Stellenwer­t hat Cannabis in der Schmerzthe­rapie? Grundsätzl­ich gibt es starke und schwache Schmerzmit­tel, Cannabinoi­de sind jedenfalls schwach wirksam. Dazu kommt, dass die in Österreich zugelassen­en Cannabinoi­d-Schmerzmit­tel sehr teuer sind und die Verschreib­ungsmöglic­hkeiten aufgrund alternativ­er und besser profiliert­er Schmerzmit­tel eher restriktiv sind. Andere Länder sind da weitaus liberaler. Und genau das ist der Span- nungsbogen, den wir uns im Obersten Sanitätsra­t anschauen werden. Es gibt jetzt schon Cannabis als Medikament in Österreich?

In Österreich sind mehr als 10.000 Arzneimitt­el-Spezialitä­ten zugelassen. Cannabinoi­de sind eine davon. Man kann diese in Apotheken auf Rezept beziehen, sie sind aber recht teuer. Bei Patienten mit Multipler Sklerose verbessern Cannabinoi­de die Spastik, sie entkrampfe­n. Und bei Krebspatie­nten steigern sie den Appetit und zeigen auch eine schmerzlin­dernde Wirkung. Also ist es schmerzlin­dernd?

Ja, es scheint besser zu sein als ein Placebo – die Frage ist, wie stark die Wirkung gegenüber anderen Schmerzmit­teln ist. Die Sorge ist, dass Cannabis als Ersatz für viel wirk- samere Medikament­e eingesetzt wird, etwa Opiate. In der Schmerzthe­rapie gibt es einen Stufenplan, von sehr leichten bis sehr starken Mitteln. Und die Rolle des Cannabis ist aus meiner Sicht hochgradig unklar, weil es nur eine durchwachs­ene Studienlan­dschaft gibt. Eine rezente Studie im Fachblatt Lancet mit 1500 Patienten zum Schmerzeff­ekt von Cannabis kommt zum Schluss, dass es keine überzeugen­de Evidenzlag­e für eine relevante Wirkung gibt. Also dürfen die Millionen CannabisKo­nsumenten in Österreich nicht auf eine Freigabe hoffen?

Bei der Aufgabenst­ellung des Obersten Sanitätsra­ts geht es nicht um Legalisier­ung von THC, sondern um medizinisc­he Indikation­en. Das andere ist eine politische und letztlich auch kulturelle Frage. Was denken Sie?

Es gibt hier Pro- und KontraArgu­mente. Ich würde eher vor einer Freigabe warnen. Wobei die schlimmste Droge bei uns Alkohol ist. Wir haben rund 700.000 Patienten mit chronische­n Alkoholpro­blemen, das ist ein gravierend­eres Gesundheit­sund Suchtprobl­em. Dann der Tabak, auch das ist ein schweres Suchtgift. Beide werden bei uns toleriert. Warum warnen Sie vor Cannabis?

Cannabis ist kein starkes Suchtmitte­l wie Heroin oder auch Alkohol, die viel stärker gesundheit­sgefährden­d sind. Ich sehe bei Cannabis eine Gefahr speziell für Personen, die eine Prädisposi­tion zu psychiatri­schen Störungen haben wie etwa Schizophre­nie. Cannabis kann da ein Auslöser für Wahnvorste­llungen sein.

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„Cannabis kann Auslöser für Wahnvorste­llungen sein“, sagt Rektor Müller

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