Regime veröffentlicht Liste: Tausende starben in Gefängnissen Mnangagwa in der Kritik – und vor enormer Aufgabe
Syrien. Protest.
von der Heinrich-Böll-Stiftung in Beirut.
Polizei oder Militär wollen nicht für den Tod der Insassen verantwortlich sein. Das seien sie aber sehr wohl, wenn Gefangene in ihrer Obhut sterben. „Jeder weiß‚ dass nicht Tausende von Menschen in Haft an Herzversagen sterben“, sagt Scheller.
Dennoch werde man die Liste als Beweismittel gegen das Regime verwenden, sagt der syrische Anwalt Anwar Albuni zum KURIER. Er kämpft gemeinsam mit syrischen, österreichischen und deutschen Juristen um Gerechtigkeit für Assads Folteropfer. „Auch wenn das Regime damit versucht, Folter zu vertuschen – die Liste ist ein Beweis, dass diese Menschen unter seiner Verantwortung gestorben sind.“
Abschreckung
Für Scheller stehen hinter der Aktualisierung der Sterbedaten politische Motivationen: Einerseits zeigte das Regime – in Hinblick auf die Astana-Friedensgespräche, die diese Woche stattgefunden haben – guten Willen zur Aufklärung der Angelegenheit um die politisch Gefangenen. Andererseits sei ein bekanntes Muster erkennbar: „Formal erfüllt das Regime die Forderungen, in der Substanz signalisiert es aber ganz was anderes: Die Art der Verständigung sei ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen. „Assad verfolgt nicht Versöhnung, sondern noch mehr Leid und Abschreckung.“
Anwalt Albuni glaubt, dass das Regime unter Druck steht. Im Juni hat – aufgrund seiner Initiative – der deutsche Generalbundesanwalt einen internationalen Haftbefehl für Jamil Hassan erwirkt. Dem Chef des syrischen Luftwaffengeheimdienstes und engem Assad-Vertrauten werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, weil er Regimegegner in syrischen Gefängnissen foltern lassen soll. Eines Tages, hofft Albuni, werde man so auch Assad drankriegen. Der knappe Wahlsieg des Präsidenten Emmerson Mnangagwa mit 50,8 Prozent der Stimmen rief dessen Herausforderer Nelson Chamisa auf den Plan. Nach der offiziellen Ergebnisbekanntgabe Freitagfrüh kritisierte Chamisa diese als „unecht“. Seine Partei MDC habe keinen Zugang zu den Ergebnissen vor der Veröffentlichung bekommen. Die Wahlkommission habe ihnen diesen verweigert. Die Ergebnisse seien nicht geprüft und gefälscht. Er forderte von der Wahlkommission die Veröffentlichung der „richtigen und verifizierten Ergebnisse, die von allen Parteien bestätigt wurden“.
Keine Krawalle
Medienberichten zufolge wurde die Ergebnisbekanntgabe bis weit nach Mitternacht verschoben, um weitere Proteste der Opposition zu vermeiden – am Mittwoch kamen bei Ausschreitungen sechs Menschen ums Leben, die Sicherheitskräfte verwendeten scharfe Munition. Auch das Militär war – unter anderem mit Panzern – im Einsatz. Am Donnerstag stürmten zudem Polizeikräfte die MDC-Zentrale und nahmen 16 Menschen fest. Sie hätten „umstürzlerisches Material“bei sich gehabt.
Die Wahl galt als historische Chance für einen Neubeginn Simbabwes – es war die erste ohne Langzeitherrscher Robert Mugabe. Die Gewalt nach dem Urnengang wurde von internationalen Beobachtern sowie der Opposition scharf kritisiert: „Das System ist immer noch dasselbe, egal ob Mnangagwa oder Mugabe“, sagte Chamisa. Mnangagwa hatte Mugabe im November durch einen Militärputsch absetzen lassen und wurde selbst Präsident. Als das Ergebnis bekannt war, gab er sich auf Twitter euphorisch: „Dies ist ein Neubeginn. Lasst uns Hand in Hand, in Frieden, Einheit & Liebe & zusammen ein neues Simbabwe für alle bauen“, schrieb er.
EU-Wahlbeobachter bezeichneten die Abstimmung zwar grundsätzlich als frei, jedoch nicht als fair: Die staatlichen Medien hätten zu sehr zugunsten Mnangagwa berichtet, ebenso hätte die Regierung staatliche Ressourcen in den Wahlkampf geworfen.
Mnangagwa steht nun vor enormen Herausforderungen. Infolge von Mugabes gescheiterter Wirtschaftspolitik ist Simbabwes Wirtschaftsleistung heute der Weltbank zufolge mit rund 900 US-Dollar pro Kopf niedriger als 1980.