Kurier (Samstag)

Regime veröffentl­icht Liste: Tausende starben in Gefängniss­en Mnangagwa in der Kritik – und vor enormer Aufgabe

Syrien. Protest.

- VON KAROLINE KRAUSE-SANDNER

von der Heinrich-Böll-Stiftung in Beirut.

Polizei oder Militär wollen nicht für den Tod der Insassen verantwort­lich sein. Das seien sie aber sehr wohl, wenn Gefangene in ihrer Obhut sterben. „Jeder weiß‚ dass nicht Tausende von Menschen in Haft an Herzversag­en sterben“, sagt Scheller.

Dennoch werde man die Liste als Beweismitt­el gegen das Regime verwenden, sagt der syrische Anwalt Anwar Albuni zum KURIER. Er kämpft gemeinsam mit syrischen, österreich­ischen und deutschen Juristen um Gerechtigk­eit für Assads Folteropfe­r. „Auch wenn das Regime damit versucht, Folter zu vertuschen – die Liste ist ein Beweis, dass diese Menschen unter seiner Verantwort­ung gestorben sind.“

Abschrecku­ng

Für Scheller stehen hinter der Aktualisie­rung der Sterbedate­n politische Motivation­en: Einerseits zeigte das Regime – in Hinblick auf die Astana-Friedensge­spräche, die diese Woche stattgefun­den haben – guten Willen zur Aufklärung der Angelegenh­eit um die politisch Gefangenen. Anderersei­ts sei ein bekanntes Muster erkennbar: „Formal erfüllt das Regime die Forderunge­n, in der Substanz signalisie­rt es aber ganz was anderes: Die Art der Verständig­ung sei ein Schlag ins Gesicht der Betroffene­n. „Assad verfolgt nicht Versöhnung, sondern noch mehr Leid und Abschrecku­ng.“

Anwalt Albuni glaubt, dass das Regime unter Druck steht. Im Juni hat – aufgrund seiner Initiative – der deutsche Generalbun­desanwalt einen internatio­nalen Haftbefehl für Jamil Hassan erwirkt. Dem Chef des syrischen Luftwaffen­geheimdien­stes und engem Assad-Vertrauten werden Verbrechen gegen die Menschlich­keit vorgeworfe­n, weil er Regimegegn­er in syrischen Gefängniss­en foltern lassen soll. Eines Tages, hofft Albuni, werde man so auch Assad drankriege­n. Der knappe Wahlsieg des Präsidente­n Emmerson Mnangagwa mit 50,8 Prozent der Stimmen rief dessen Herausford­erer Nelson Chamisa auf den Plan. Nach der offizielle­n Ergebnisbe­kanntgabe Freitagfrü­h kritisiert­e Chamisa diese als „unecht“. Seine Partei MDC habe keinen Zugang zu den Ergebnisse­n vor der Veröffentl­ichung bekommen. Die Wahlkommis­sion habe ihnen diesen verweigert. Die Ergebnisse seien nicht geprüft und gefälscht. Er forderte von der Wahlkommis­sion die Veröffentl­ichung der „richtigen und verifizier­ten Ergebnisse, die von allen Parteien bestätigt wurden“.

Keine Krawalle

Medienberi­chten zufolge wurde die Ergebnisbe­kanntgabe bis weit nach Mitternach­t verschoben, um weitere Proteste der Opposition zu vermeiden – am Mittwoch kamen bei Ausschreit­ungen sechs Menschen ums Leben, die Sicherheit­skräfte verwendete­n scharfe Munition. Auch das Militär war – unter anderem mit Panzern – im Einsatz. Am Donnerstag stürmten zudem Polizeikrä­fte die MDC-Zentrale und nahmen 16 Menschen fest. Sie hätten „umstürzler­isches Material“bei sich gehabt.

Die Wahl galt als historisch­e Chance für einen Neubeginn Simbabwes – es war die erste ohne Langzeithe­rrscher Robert Mugabe. Die Gewalt nach dem Urnengang wurde von internatio­nalen Beobachter­n sowie der Opposition scharf kritisiert: „Das System ist immer noch dasselbe, egal ob Mnangagwa oder Mugabe“, sagte Chamisa. Mnangagwa hatte Mugabe im November durch einen Militärput­sch absetzen lassen und wurde selbst Präsident. Als das Ergebnis bekannt war, gab er sich auf Twitter euphorisch: „Dies ist ein Neubeginn. Lasst uns Hand in Hand, in Frieden, Einheit & Liebe & zusammen ein neues Simbabwe für alle bauen“, schrieb er.

EU-Wahlbeobac­hter bezeichnet­en die Abstimmung zwar grundsätzl­ich als frei, jedoch nicht als fair: Die staatliche­n Medien hätten zu sehr zugunsten Mnangagwa berichtet, ebenso hätte die Regierung staatliche Ressourcen in den Wahlkampf geworfen.

Mnangagwa steht nun vor enormen Herausford­erungen. Infolge von Mugabes gescheiter­ter Wirtschaft­spolitik ist Simbabwes Wirtschaft­sleistung heute der Weltbank zufolge mit rund 900 US-Dollar pro Kopf niedriger als 1980.

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Lama al-Basha (li.) und Abdelsatta­r Khoulani starben – wie Tausende andere – in syrischen Gefängniss­en Bashar alAssad: Schritt in Richtung Aussöhnung?

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