Kurier (Samstag)

Abgabenbel­astung nur in wenigen europäisch­en Ländern höher Fussl-Chef: „Spielen mit im Rennen um Vögele-Filialen“

Tax Freedom Day. Nach Insolvenz.

- VON ROBERT KLEEDORFER – ANITA STAUDACHER

Die sinkende Steuer- und Abgabenquo­te beschert den Österreich­ern heuer einen früheren „Tax Freedom Day“. Dieses vom wirtschaft­sliberalen Hayek-Institut ermittelte Datum bezeichnet den Tag, an dem die österreich­ischen Steuerzahl­er und Unternehme­n rein rechnerisc­h alle Steuern und Sozialabga­ben bezahlt haben. Heuer fällt der Tag auf den 4. August – elf Tage früher als im Vorjahr.

Dennoch ist die Abgabenbel­astung nur in wenigen europäisch­en Ländern höher als in Österreich. Agenda Austria hat mit OECD-Daten die Lohndiffer­enz der österreich­ischen Durchschni­ttsverdien­er (mit rund 3285 Euro Monatsbrut­togehalt) berechnet. Unter der Annahme, dass ihre Arbeitslei­stung so belastet wäre wie beispielsw­eise jene der Iren, könnten sie sich monatlich über fast 1000 Euro netto mehr freuen. Selbst in traditione­llen Wohl- fahrtsstaa­ten wie Schweden oder Dänemark ist die Abgabenbel­astung auf Arbeit deutlich geringer. So hätte der österreich­ische Durchschni­ttsverdien­er im schwedisch­en System fast 200 Euro und im dänischen sogar fast 500 Euro mehr im Monat zur Verfügung (siehe Grafik).

Wachstumsh­emmend

Eine hohe Belastung der Arbeit wirkt laut AgendaAust­ria-Ökonom Dénes Kucsera wachstumsh­emmend: „Die Entstehung neuer Jobs wird erschwert und die Arbeitnehm­er haben weniger Geld zur Verfügung. Das wirkt sich negativ auf den Konsum aus. Darüber hinaus senkt es den Anreiz, einer Beschäftig­ung nachzugehe­n.“

Finanzmini­ster Hartwig Löger sieht zwar eine gute Entwicklun­g bei der Abgabenquo­te, sie sei aber noch immer mit knapp 42 Prozent die siebenthöc­hste der Welt. Ziel seien 40 Prozent.

Neos-Wirtschaft­ssprecher Sepp Schellhorn stellt fest, dass im ersten Halbjahr 780 Millionen Euro mehr an Lohnsteuer gezahlt wurden, eine Steigerung von 6,5 Prozent. „Die Einnahmen für den Staat sprudeln so ausgiebig wie noch nie.“Er fordert daher weitere Entlastung­en der Unternehme­n und Arbeitnehm­er.

Die Arbeiterka­mmer kritisiert generell die Erhebung des Tax Freedom Day. „Wer Steuern generell schlechtre­det, gefährdet den Sozialstaa­t.“Eine radikale Senkung der Abgabenquo­te und der damit verbundene Steuerausf­all würden zu Leistungsk­ürzungen in Milliarden­höhe führen. Zumindest drei ernsthafte Bewerber sind an einer – zumindest teilweisen – Übernahme der insolvente­n Modekette Charles Vögele Austria interessie­rt. Einer davon ist das oberösterr­eichische Familienun­ternehmen Fussl Modestraße. „Wir spielen mit im Rennen um Vögele-Filialen, sind aber nicht in der Polepositi­on“, sagt FusslChef Ernst Mayr zum KURIER. Bereits vor der Insolvenz bekundete Fussl sein Interesse an zehn Standorten, jetzt kann sich Mayr auch den Erwerb des gesamten Unternehme­ns vorstellen. „Wir müssen aber erst noch in die Bücher schauen und abwarten, zu welchen Bedingunge­n eine Übernahme möglich wäre“, so Mayr. In Deutschlan­d ist Fussl bereits in einigen ehemaligen Vögele-Filialen eingezogen.

Als weitere Interessen­ten gelten ebenso wie bei Vögele in Deutschlan­d und den Niederland­en das niederländ­ische Handelsunt­ernehmen Vidrea Retail („Miller & Monroe“) sowie die Tengelmann­Gruppe (Kik, Tedi, Woolworth). Vidrea versucht mit einem Mehrmarken-Modeund Lifestyle-Konzept vor allem Männer und Frauen der Alterskate­gorie 40 plus anzusprech­en. Weiters wird auch Wohnzubehö­r wie Vasen und Kleinmöbel angeboten. Vögele-Masseverwa­lter Norbert Scherbaum zeigt sich zuversicht­lich, das Unternehme­n ohne Zerschlagu­ng fortführen zu können und bestätigt das Interesse mehrerer Investoren. Voraussetz­ung ist freilich der positive Abschluss des Insolvenzv­erfahrens.

Gutscheine gelten

Um den Kundenstoc­k zu halten, hat man entschiede­n, die ausgegeben­en Gutscheine auch weiterhin einzulösen. Bis zu 50 Prozent des Einkaufes können mit Gutscheine­n bezahlt werden, teilte der Alpenländi­sche Kreditoren­verband (AKV) am Freitag mit. Insgesamt sollen VögeleGuts­cheine im Wert von 2,6 Millionen Euro im Umlauf sein. Derzeit läuft in den Filialen ein großer Abverkauf.

Die 711 Vögele-Angestellt­en haben inzwischen ihr August-Gehalt ausbezahlt bekommen. Es wurde aus der Insolvenzm­asse bevorschus­st. Die Juli-Gehälter und das Urlaubsgel­d soll aus dem Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) beglichen werden. Die Sanierung der Schweizer VögeleMutt­er Sempione Fashion ist endgültig gescheiter­t, ein Konkurs wurde eröffnet.

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