Kurier (Samstag)

Wozu ist ein Kreisel gut? Er dreht sich. Er dreht sich

Die Hochhaussp­ringerin. Stadt versus Peripherie

- – PETER PISA

(Das ist ein Roman, der sich sehr viel einfallen ließ, um anzudeuten: Es macht gar nichts, wenn der Slim-Fit-Anzug nicht passt. Es gibt auch Menschen, die weniger als zwölf Stunden arbeiten wollen und sich halt keine Chiasamen auf dem Müsli leisten können. Und ... Kreisel sind etwas Schönes.

So, und jetzt fangen wir mit dieser Buchempfeh­lung ganz von vorne an.)

Die Spitzenspo­rtlerin Riva will nicht mehr. Riva ist zwar erst 24 und Idol von Millionen, sie würde die kommende Weltmeiste­rschaft locker gewinnen. Aber sie fragt

Was ändert sich,wenn ich gewinne?

Andere entscheide­n

Sie sitzt auf dem Fußboden und dreht einen Kreisel.

Wozu ist so ein Kreisel gut? Er dreht sich. Aber WOZU IST ER GUT? Er dreht sich! Mehr leistet er nicht. Ist er deshalb – nutzlos?

Die Sportart, in der Riva die Beste war, ist: Hochhaussp­ringen. Daran merkt man, die Welt hat sich in diesem wunderbar schrecklic­hen Roman verändert. Ein wenig verändert. In einer namenlosen Stadt werden jene Menschen gefördert (gezüchtet), denen perfekte Leistungen zugetraut werden. Das kann im Sport sein, in der Wissenscha­ft ...

Wer kuscht und arbeitet und permanent andere für sich entscheide­n lässt, bringt es in den sehr hohen Hochhäuser­n zu Wohnungen ganz oben, dort gibt es mehr Sonnenlich­t.

Wer nachlässt, kommt nach unten – dann nach außen – schließlic­h in die Peripherie. In den Dreck, zu den Fabriken am Stadtrand, zu den Dicken, angeblich Faulen, Dummen (vielleicht: Kreativere­n?)...

So weit weg ist diese Welt. So nah ist sie. Das Debüt der Deutschen Julia von Lucadou fesselt von Beginn an.

Drohne mit Kamera

Riva, die nicht mehr in der Luft tanzen will, wird observiert, sogar im Bett wird sie beobachtet. Sie darf nicht aufhören. Sie ist ein Geschäft. Die Psychologi­n, die auf sie angesetzt wird, ist wild entschloss­en, nicht wegen ihr in die Peripherie abzurutsch­en.

Julia von Lucadou ist Filmwissen­schaftleri­n. Man stellt sich eine Drohne vor, mit Kamera, und jeder Satz im Roman ist ein heimlich aufgenomme­nes Foto – ein Filmkader. Für Popcorn wird man beim Schauen keine Muße haben.

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Erster Roman: Julia von Lucadou, 1982 in Heidelberg geboren
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Julia von Lucadou: „Die Hochhaussp­ringerin“Hanser Berlin. 288 Seiten. 19,60 Euro. KURIER-Wertung:

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