Die Prophezeiung der Bettlerin
Der Schatten. Was läuft in diesem Thriller, der in den Wiener Prater übersiedelt, ins Leere?
Unsereiner erlebt höchstens (und das reicht völlig), dass man einem Bettler zwei Euro gibt und er den Kopf schüttelt, VIER Euro möchte er, um sich in der Bäckerei Felzl ein belegtes Stück Baguette kaufen zu können.
Aber Norah: Die junge, goscherte Journalistin übersiedelt von Berlin in ein neues Leben nach Wien. Eine neue Wochenzeitung (mit Sitz in der noblen Kärntner Straße!) hat sie engagiert. Mit einer Reportagenserie über Obdachlose will sie ihre Arbeit beginnen.
No, dafür hat man in Wien bestimmt auf sie gewartet.
Norah hat sich’s gut überlegt: Sie wird Einzelschicksa- le schildern. Ein neuartiger Zugang?
Gleich am ersten Tag nach Ankunft pflanzt sich eine groß gewachsene Bettlerin vor ihr auf und sagt:
„Am 11. Februar wirst du am Prater einen Mann namens Arthur Grimm töten. Mit gutem Grund. Und aus freien Stücken.“
Zack bumm
Der btb-Verlag setzt große Hoffnung in den Roman „Der Schatten“. Die Münchner bringen auch die Thriller des Tirolers Bernhard Aichner, der (freundlicherweise) langsam, ganz langsam seinen Stakkato-Stil ablegt.
Dafür macht die Autorin Melanie Raabe jetzt zackzack-bumm.
Beziehungsweise: „Ihr altes Leben verschwand im Rückspiegel. Wurde kleiner und kleiner. Unwirklich fast. Ihre Arbeit. Der Mann. Ihr Zuhause. Der Hund.“Zitat Ende. Mit den Vorgängerroma- nen „Die Falle“und „Die Wahrheit“hatte Melanie Raabe aus Köln Erfolg.
Es gibt dann aber doch ganze Sätze bei ihr, manchmal lauten sie halt: „Der Anruf lief ins Leere.“Viel schiefer kann’s nicht klingen.
Aber es hilft nichts, man muss zugeben: Man will wissen, was in dem Buch los ist, was da los ist „am Prater“. Insofern macht es Melanie Raabe genau richtig.
Norah kennt keinen Arthur Grimm, aber als sie Zahnweh bekommt und einen Zahnarzt ihrer Wahl aufsucht, stellt sie fest: Im vierten Stock des ZahnarztHauses residiert – Arthur Grimm.