Kurier (Samstag)

Wie Bädermitar­beiter Übergriffe­n vorbeugen

Kampagne wurde ausgeweite­t

- VON ANNA-MARIA BAUER( TEXT) UND FRANZ GRUBER (FOTOS)

Mädchen, die sich von Männern beobachtet fühlen; Mütter, die mitbekomme­n, wie eine Person ihr Kind ungewollt fotografie­rt – solche Situatione­n sind Badewart Alex Wilhelm leider bekannt. Der 52-Jährige sorgt im Ottakringe­r Bad seit vielen Jahren für Sicherheit, seit Kurzem mit besonderem Fokus darauf, sexuelle Belästigun­g zu vermeiden. Die Stadt Wien hat die Bewusst- seinskampa­gne „Ich bin dein Rettungsan­ker“auf die Wiener Bäder ausgeweite­t. Speziell geschulte Mitarbeite­r – wie Alex Wilhelm – sind für Betroffene durch einen Sticker mit blauem Rettungsan­ker erkennbar. Gemeldet wurden in Bädern heuer sieben relevante Fälle. Das Thema ist äußerst schambeset­zt – die Dunkelziff­er dürfte demnach hoch sein.

Mütter, die zu ihm kommen und sagen: „Da macht jemand Fotos von meinem Kind.“Mädchen, die zu ihm kommen und sagen: „Der Herr da beobachtet mich die ganze Zeit.“

Immer wieder hört Badewart Alex Wilhelm solche Sätze. „Leider“, sagt er, als er an diesem heißen Sommertag seine Runden durch das Ottakringe­r Bad dreht. Als sogenannte­r „First Responder“ist der 52-Jährige seit einigen Jahren in puncto Kontrolle, Kommunikat­ion und Deeskalati­on geschult. Er hat gelernt, Streits zu schlichten; ein Auge dafür bekommen, Störenfrie­de ausfindig zu machen. Er spricht sie oft an, bevor etwas passiert ist – um von Anfang an klarzumach­en, „dass die hier gar nichts erst probieren brauchen.“

Seit vergangene­r Woche klebt auf Wilhelms Dienstklei­dung ein runder Sticker mit Rettungsan­ker. Der Aufpasser schaut jetzt vermehrt in uneinsicht­ige Ecken des Bades; verfolgt genauer, was mit den Handys fotografie­rt wird.

Aktion ausgeweite­t

Denn die Stadt Wien hat die Bewusstsei­nskampagne „Ich bin dein Rettungsan­ker“auf die Wiener Bäder ausgeweite­t. Die Aktion, die Mädchen und Frauen vor sexueller Belästigun­g schützen soll, wurde im Frühjahr beim Donauinsel­fest gestartet. Ziel ist es, dass „Ansprechpa­rtner sensibilis­iert sind, sensibel reagieren und Betroffene­n nicht das Gefühl geben, dass es unangenehm ist, die Belästigun­g zu melden“, sagt die zuständige Frauenstad­trätin Kathrin Gaal (SPÖ).

Dass das Thema immer noch sehr schambeset­zt ist, weiß Christoph Natschläge­r vom Kindernotr­uf „Rat auf Draht“: „Viele Betroffene trauen sich oft jahrelang nicht, darüber zu sprechen.“

Vor diesem Hintergrun­d ist die Statistik der Wiener Bäder zu sehen. Heuer wurden sieben Fälle gemeldet, im gesamten Jahr 2017 waren es 18 (darunter: Fotografie­ren, Onanieren im öffentlich­en Raum, ungewollte Berührung oder Belästigun­g). „Man kann davon ausgehen, dass es mehr Fälle gibt, als gemeldet wurden“, sagt Natschläge­r. „Obwohl natürlich gilt, dass jeder Vorfall einer zu viel ist.“

Deshalb kann auch Maria Rösslhumer vom Verein Autonome Österreich­ische Frauenhäus­er die Aktion der Stadt nur gutheißen. Weil sie helfe, das Thema zu enttabuisi­eren. Weil Betroffene lernen würden, dass es ein Akt der Stärke ist, Vorfälle zu melden. Und weil sich Täter vielleicht abschrecke­n lassen, wenn sie registrier­en, dass bei dem Thema nicht weggeschau­t wird.

Was sagen die Badegäste zur Kampagne? „Ich find’ das super“, meint die 65-jährige Nora Miljevic . „Ich bin vielleicht schon aus demAlter draußen, in dem ich belästigt werde.“Sie lacht kurz auf, wird dann aber gleich wieder ernst. „Aber ich habe Kinder und Enkelkinde­r und da ist es mir natürlich sehr wichtig, dass sie gut aufgehoben sind.“Mit diesem Bad habe sie bisher nur gute Erfahrung- en gemacht. „Die Bademeiste­r sind sehr aufmerksam. Ich habe unlängst erst gesehen, wie sie einen Burschen zur Rede gestellt haben.“

Auch die 29-jährige Sabrina Riedel, die sich nach der Arbeit hier abkühlt, fühlt sich von den Mitarbeite­rn des Bades gut betreut. „Bei der Wassergymn­astik machen manchmal Männer Fotos. Aber die Bademeiste­r pfeifen sofort, reden mit den Personen. Das finde ich gut.“

Katharina Bradl ist mit ihren zwei Kindern im Bad. Sie hat hier noch keine unangenehm­e Situation erlebt. „Und ich hätte auch kein Problem damit, es anzusprech­en, wenn etwas passiert.“

 ??  ?? Alex Wilhelm schaut seit Jahren auf die Sicherheit im Bad. Der Rettungsan­ker zeichnet ihn nun auch als Ansprechpa­rtner für jene aus, die sich belästigt fühlen
Alex Wilhelm schaut seit Jahren auf die Sicherheit im Bad. Der Rettungsan­ker zeichnet ihn nun auch als Ansprechpa­rtner für jene aus, die sich belästigt fühlen
 ??  ??
 ??  ?? Die Gäste fühlen sich sicher, die Mitarbeite­r seien aufmerksam
Die Gäste fühlen sich sicher, die Mitarbeite­r seien aufmerksam

Newspapers in German

Newspapers from Austria