Kurier (Samstag)

Regierung will gegen Cannabis vorgehen

Verkaufsve­rbot für Pflanzen geplant – Branche und Schmerzpat­ienten sind alarmiert

- VON BERNHARD GAUL UND ANDREAS PUSCHAUTZ

Marihuana, Haschisch, Weed, Gras: Es gibt unzählige Wörter im heimischen Sprachgebr­auch für die Cannabis-Pflanze. Die EU-Drogenagen­tur schätzt, dass mehr als 23 Prozent der Österreich­er im Laufe ihres Lebens Kontakt mit Cannabis haben; 14,1 Prozent, das sind über 1,2 Millionen Österreich­er, haben in den vergangene­n zwölf Monaten Cannabis konsumiert.

Und obwohl die Behörden momentan den Besitz geringer Mengen tolerieren, gibt es dennoch jedes Jahr zahlreiche Anzeigen und Verurteilu­ngen nach dem Suchtmitte­lgesetz (SMG): 2017 sind die Anzeigen das fünfte Jahr in Folge gestiegen, und das besonders stark: von Peter Kolba ehem. Nationalra­t und Schmerzpat­ient 36.235 auf 42.610, ein Plus von 17,6 Prozent. Laut Suchtmitte­lbericht betrafen 34.686 Fälle Cannabis-Vergehen, das sind vier von fünf Anzeigen. Bei den Verurteilu­ngen nach dem Suchtmitte­lgesetz wird in der Statistik nicht nach Art der Drogen unterschie­den, insgesamt gab es im Vorjahr jedenfalls 9058 Verurteilu­ngen. All diese Zahlen dürften künftig deutlich steigen, wenn die Regierung ihre Pläne umsetzt.

Anders als bei gängigen starken Drogen müssen Cannabis-Konsumente­n nicht unbedingt einen Dealer finden, sie können ihre HanfPflanz­en selbst züchten. Dutzende so genannte Grow-Shops in ganz Österreich bieten Samen und Stecklinge frei zum Verkauf an. Nach vorsichtig­en Schätzunge­n werden allein im Raum Wien bis zu 300.000 Stecklinge pro Monat verkauft, sagt der Obmann der Arge Canna, Gerfried Düregger. Schätzunge­n, wie viele in ganz Österreich verkauft werden, gibt es nicht.

Genau da wird es aber heikel: Denn der Kauf ist grundsätzl­ich nur möglich, solange die Pflanze jung ist, und nicht den psychoakti­ven Wirkstoff THC (Tetrahydro­cannabinol) produziert hat – und sich der Verkäufer versichert, dass der Käufer die Hanfpflanz­e nur als Zimmerpfla­nze verwendet, und keine Absicht hat, diese zu konsumiere­n (weder als Rauchware noch als Nahrungsmi­ttel verarbeite­t).

Liberalisi­erung vom Tisch

Eine Liberalisi­erung des CannabisKo­nsums, wie es viele andere Staaten diskutiere­n oder bereits gesetzlich verankert haben, plant die türkis-blaue Regierung nicht.

Ganz im Gegenteil: Die Bundesregi­erung will den Kampf gegen Cannabis jetzt aufnehmen.

Erstens wird jetzt geprüft, wie sinnvoll Cannabis-Medikament­e, vor allem bei der Schmerzthe­rapie, sind (siehe Interview unten). Der klinische Pharmakolo­ge und Med-Uni Wien-Rektor Markus Müller, Leiter des Obersten Sanitätsra­tes, ist jedenfalls skeptisch.

Zweitens soll das Strafrecht beim SMG verschärft werden, „um insbesonde­re Minderjähr­ige zu schützen“– so steht es im Regierungs­programm.

Und drittens will die Regierung ein „Verbot des Verkaufs von Hanfsamen und Hanfpflanz­en“. Damit wird die rechtliche Grauzone, ob die Pflanzen wirklich nur als Zierpflanz­en verkauft werden oder vielleicht doch mit der Absicht, sie zu konsumiere­n, beendet.

Innen- wie auch Justizmini­sterium wollen noch keinen Zeitpunkt nennen, wann die Verschärfu­ngen kommen. „Innerhalb der Legislatur­periode auf jeden Fall noch“, versichert Josephine Raimerth, die Sprecherin von Justizmini­ster Josef Moser gegenüber dem KURIER.

Unklar ist auch, ob ein solches Verkaufsve­rbot nur THC-haltige oder alle Hanfpflanz­en treffen würde. Wobei zweiteres laut dem Strafrecht­sexperten Alois Birklbauer möglicherw­eise sogar Probleme auf EU-Ebene bringen könnte.

Peter Kolba, bis Juni Nationalra­tsabgeordn­eter der Liste Pilz und selbst Schmerzpat­ient, hofft jedenfalls noch auf ein Umdenken im Zu- ge der parlamenta­rischen Debatte, „auch bei den Regierungs­parteien“. Er bedient sich seit Jahren CBDhaltige­n Marihuanas zur Schmerzlin­derung. Diese Pflanzen enthalten nur das nicht psychoakti­ve, wohl aber krampflöse­nde und angsthemme­nde CBD (Cannabidio­l).

Kolba plädiert überhaupt dafür, einen legalen Markt für CBD-Hanf zu schaffen, um die Produkte zu verbillige­n. Das könnte dann in einem weiteren Schritt dazu führen, dass irgendwann auch Krankenkas­sen die Kosten für Schmerzmit­tel auf Hanfbasis übernehmen.

Der Cannabispf­lanzen-Handel ist ob des Regierungs­vorhabens jedenfalls längst in Aufruhr.

Der heimische Marktführe­r Flowery Field hat etwa bereits in der Toskana einen Betrieb eröffnet, um jedenfalls weitermach­en zu können, sollten sich Gesetze in Österreich ändern.

„Es gibt ein Rechtsguta­chten, dass bei einem Verbot von Samen und Pflanzen mindestens fünf Jahre Übergangsz­eit für die Betriebe eingerechn­et werden müsste. Man kann nicht einfach sagen, wir verbieten das jetzt und die Unternehme­n sitzen auf ihren Investitio­nskosten“, erklärt hingegen Düregger von der Arge Canna.

Kein Problem mit einem Cannabis-Aus hätte imGegenzug die Landwirtsc­haftskamme­r: „Hanf hat eine so geringe Bedeutung, auch ein Totalverbo­t hätte keine Folgen für die Landwirtsc­haft in Österreich“.

„Angesichts des internatio­nalen Trends wäre es auch kurzsichti­g, diesen Wirtschaft­szweig zu vertreiben.“

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MONTAGE , F O T O L I A

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