Kurier (Samstag)

Versuchter Totschlag? – Schwere Vorwürfe gegen Ex-Sportidol

Jan Ullrich, 1997 gefeierter Tour-deFrance-Sieger, soll eine Escort-Dame gewürgt haben. Es war nicht sein erster gewalttäti­ger Übergriff.

- VON IRENE THIERJUNG Deutschlan­d.

Vor 20 Jahren war Jan Ullrich einer von Deutschlan­ds größten Sportstars, jetzt wird gegen den Ex-Radprofi wegen versuchten Totschlags und schwerer Körperverl­etzung ermittelt.

Wie die Staatsanwa­ltschaft Frankfurt bekannt gab, soll Ullrich am Freitag unter Alkohol- und Drogeneinf­luss eine Escort-Dame in einem Luxushotel im Stadtteil Sachsenhau­sen massiv attackiert haben. „Hierbei soll der Beschuldig­te sie gewürgt haben, bis ihr schwarz vor Augen wurde“, sagte die Sprecherin der Behörde, Nadja Niesen. Nach Informatio­nen der Bild-Zeitung rannte die Frau schreiend aus dem Zimmer, Hotelanges­tellte alarmierte­n die Polizei.

Ulrich wurde verhaftet, sollte aber im Laufe des Freitags wieder freigelass­en werden. Er macht von seinem Recht auf Aussagever­weigerung Gebrauch.

Doping-Skandale

Ullrichs Festnahme ist der bisherige Tiefpunkt im Leben des einst gefeierten und später tief gefallenen Sportidols. 1997 hatte der heute 44-Jährige als erster und bisher einziger Deutscher die Tour de France gewonnen, drei Jahre später wurde er in Sydney Olympiasie­ger. Nicht nur seine Fans nannten „Ulle“damals in einem Atemzug mit Tennislege­nde Boris Becker.

Seinem Nimbus als deutscher Nationalhe­ld konnte der gebürtige Rostocker allerdings bald nicht mehr gerecht werden. Ein Autounfall mit Fahrerfluc­ht unter Alkoholein­fluss 2002 und die Verwicklun­g in Doping-Skandale kosteten Ullrich 2006 die Karriere.

In den vergangene­n Jahren wurde es vergleichs­weise ruhig um den Ex-Spitzenspo­rtler, der sein Geld u. a. mit Seminaren für Führungskr­äfte oder mit von ihm begleitete­n Radtouren verdiente. Immer wieder sorgte Ullrich aber für Negativ-Schlagzeil­en, etwa 2014, als er neuerlich alkoholisi­ert und mit viel zu hoher Geschwindi­gkeit in der Schweiz einen Unfall mit zwei Verletzten verursacht­e.

Erst am Abend vor dem mutmaßlich­en Übergriff in Frankfurt war der Sportler von seiner Wahlheimat Mallorca aus nach Frankfurt geflogen, um sich einer Therapie zu unterziehe­n. Auslöser für diesen Schritt war seine vorübergeh­ende Festnahme am Wochenende auf der Balearenin­sel. Dort soll er seinen Nachbarn, den Schauspiel­er Til Schweiger, mehrmals angegriffe­n haben.

Trennung von der Frau

In der Bild- Zeitung, mit der er regelmäßig in Kontakt steht, sprach Ullrich nach der Auseinande­rsetzung mit Schweiger von privaten Problemen. Die Trennung von seiner Frau Sara, die jüngst mit den drei gemeinsame­n Söhnen in den Allgäu gezogen war, habe ihm sehr zugesetzt. „Dadurch habe ich Sachen gemacht und genommen, die ich sehr bereue.“

Ullrich hatte allerdings schon lange Probleme mit Alkohol und Drogen, weswegen seine Frau ihn auch verlassen haben soll. Dazu kommen angebliche psychische Probleme: So benahm sich Ullrich laut Bild bei Interviews mitunter eigenartig, brüllte etwa unvermitte­lt in den Telefonhör­er und legte auf, um kurz darauf wieder anzurufen.

Til Schweiger zeigte sich vor Ullrichs Abreise nach Frankfurt am Donnerstag versöhnlic­h gegenüber seinem einstigen Freund: „Vielleicht war das was Gutes, was jetzt passiert ist“, sagte er. Ein Entzug könne Ullrich helfen, wieder so zu werden wie früher: Liebenswer­t und großzügig. Das hoffte bis zuletzt auch Ullrichs Anwalt Wolfgang Hoppe: „Ich habe bereits vor einiger Zeit einen Platz in einer Klinik in Deutschlan­d reserviert. Jan kann dort jederzeit hin.“

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Drogen und Alkohol: Nach dem unfreiwill­igen Ende seiner Radsport-Karriere stürzte Ullrich immer mehr ab
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