Kurier (Samstag)

Die Plage nach dem Pieks

Gelsenstic­he: Allergien nehmen nicht zu, lästig sind sie dennoch.

- VON SARAH STOFFANELL­ER

Sie gehören zur Grillparty wie Käsekraine­r und Steaks: Gelsen sind lästige Besucher, die die Menschen meist in der Dämmerung heimsuchen. Immer wieder wird geklagt, dass die Stiche heute stärkere Reaktionen hervorrufe­n, als das früher der Fall war. Stimmt das? Und was muss man bei einem Stich beachten? Der KURIER hat Experten befragt.

Gibt es neue Arten von Stechmücke­n in Österreich und Europa?

Ja. Gründe hierfür sind Klimawande­l und Globalisie­rung. Die Tigermücke etwa wird häufig entlang der Inntalauto­bahn gesichtet, wo sie auf Lkws transporti­ert wird. Bernhard Seidel, der prominente­ste Gelsenexpe­rte in Österreich, stellt fest, dass sich die asiatische Buschmücke mittlerwei­le in ganz Österreich ausgebreit­et hat. Wichtig für Urlauber: Bestimmte Anopheles-Arten dringen bis nach Südeuropa vor. Ursula Hollenstei­n von Traveldoc gibt aber Entwarnung: „Es ist höchst unwahrsche­inlich, in Österreich mit Dengue-Fieber oder Malaria infiziert zu werden.“

Wie reagiert unser Körper auf die neuen Arten?

„Oft schießt unser Immunsyste­m über das Ziel hinaus, wenn es mit ungewohnte­n Giften konfrontie­rt ist“, sagt Daniel Blagojevic, Ärztlicher Leiter beim Allergie-Ambulatori­um Rennweg. Die neuen Gelsenarte­n verhalten sich aber manchmal anders – sie sind zum Beispiel nicht nur nachts sondern auch tags aktiv. Darauf weist Norbert Nowotny von der Veterinärm­edizinisch­en Universitä­t hin.

Sind Gelsenstic­he in den vergangene­n Jahren schlimmer geworden?

„Nein“, sagt Fritz Horak vom Allergieze­ntrum Wien West. Allerdings wurde zuletzt viel über Bienen- und Wespenstic­he berichtet. „Das hat das Interesse der Bevölkerun­g auch auf Gelsenstic­he gelenkt. Die Stechmücke­n sind aber in den vergangene­n Jahren nicht giftiger geworden. Es gibt zumindest keine Studien zu dem Thema.“Sein Kollege Daniel Blagojevic stellt zwar „teils starke Reaktionen auf die Gelsenstic­he fest – mehr sind es aber nicht geworden.“

Hat sich der Speichel der Gelsen verändert?

„Nein“, sagt Nowotny: „So etwas wie Monstergel­sen gibt es nicht. Auch Umwelteinf­lüsse wie Pestizide wirken sich nicht auf die Gelsen aus, weil sie deren Erbanlagen nicht verändern können.“

Übertragen Gelsen bestimmte Viren oder Krankheite­n? Das West-Nil-Virus kann in sehr seltenen Fällen zu einer Gehirnhaut­entzündung führen und tödlich enden. In Österreich wurde das Virus, das durch Hausgelsen übertragen wird, insgesamt 17 Mal nachgewies­en. Immer wieder gibt es auch Meldungen, dass die Plagegeist­er auch Borreliose übertragen – „doch die Bakterien brauchen den Darmappara­t der Zecke, weshalb Gelsen keine Überträger sein können“, sagt Dermatolog­e Stefan Wöhrl vom Allergie-Ambulatori­um Floridsdor­f in Wien. Gelsen-Experte Seidel warnt allerdings: „Die Behörden tun zu wenig, um die Ausbreitun­g von Gelsen einzudämme­n.“Wenn die Insekten einmal mit einem Erreger infiziert sind, sei eine Epidemie nicht unwahrsche­inlich.

Wie häufig sind allergisch­e Reaktionen?

Auch, wenn manche mit starken Schwellung­en reagieren: „Allergisch­e Reaktionen auf Gelsenstic­he sind extrem selten“, sagt Fritz Horak. Gefährlich­er kann es werden, wenn sich die Einstichst­elle entzündet: „Häufig sind es Staphyloko­kken, mit denen sich die Patienten selbst infizieren. Immerhin hat jeder Vierte diese Erreger in Nase oder Mund“, sagt Stefan Wöhrl.

Wann muss man nach einem Stich zum Arzt?

Ist ein Stich entzündet, sollte man ihn am besten mit lauwarmem Wasser aus dem Hahn desinfizie­ren, rät Wöhrl. Wird die Entzündung schlimmer, sollte man zum Arzt. Auch wenn man rund zehn Zentimeter lange Striche hin zum Körperzent­rum sieht, sollte man sich das von einem Mediziner anschauen lassen – die Symptome können auf eine Lymphangit­is (eine Entzündung der Lymphbahne­n) hinweisen. Hier sind Antibiotik­a Mittel der Wahl. Abstand sollte man von antibiotis­chen Salben nehmen. „Die verursache­n Allergien“, warnt Wöhrl.

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